: SPD-Länder gegen Müllöfen
Der Umweltausschuß des Bundestages berät morgen erneut über die „Technische Anordnung Siedlungsabfall“. Biologische Verfahren sind billiger ■ Von Christian Rath
Viele Kommunen sehen es nicht mehr ein. Warum zwingt man sie in Zeiten der Finanzknappheit zur Investition in teure Verbrennungsanlagen, wenn doch billigere und wohl auch ökologisch verträglichere Technologien zur Verfügung stehen? Jetzt fordern die SPD-regierten Länder im Bundesrat eine Veränderung der häufig als „Lex Müllverbrennung“ bezeichneten „Technischen Anleitung Siedlungsabfall“ (TaSi). Sie wollen, daß der Hausmüll künftig auch mit sogenannten kalten Technologien behandelt werden darf. Morgen beschäftigt sich der Umweltauschuß des Bundestages mit dem Thema.
Vor drei Jahren hatte auch der Bundesrat der Verordnung zugestimmt – mit den Stimmen der SPD-Regierungen, die das Regelwerk jetzt wieder umschreiben möchten. Gegen das Ziel der Verordnung wäre tatsächlich wenig einzuwenden. Um sicherzustellen, daß Mülldeponien nicht mehr zu Altlasten von morgen werden, soll der Hausmüll vorbehandelt und Deponiegase und Sickerwässer weitgehend vermieden werden. Wie das zu geschehen habe, sagt die TaSi allerdings nicht. Vermeintlich neutral schreibt sie vor, daß der abzulagernde Müll nur noch einen „Glühverlust“ von weniger als fünf Prozent aufweisen darf, das heißt: Der Abfall darf kaum noch brennbare organische Masse enthalten.
Bisher ist dieses Kriterium nur zu erfüllen, wenn der Müll vorher verbrannt oder verschwelt wird. Schleswig-Holstein hat nun im Bundesrat den Antrag eingebracht, den „Glühverlust“ durch ein alternatives zweites Kriterium zu ergänzen. Ziel des Küstenlandes ist es, auch die biologisch-mechanische Abfallbehandlung (BMA) zuzulassen, ein Verfahren, das den Müll zuerst verkleinert und dann vergärt. Von Müll aus BMA-Anlagen soll eine möglichst geringe „Atmungsaktivität“, also möglichst wenig Sauerstoffbedarf, verlangt werden. Schleswig-Holstein beruft sich auf Untersuchungen der Technischen Universität Hamburg-Harburg, die besagen, daß das „Schutzniveau der TaSi bereits nach viermonatiger Rotte- Behandlung“ des Mülls erreicht werden kann. Zwar wird über die technischen Details der geforderten TaSi-Änderung noch heftig diskutiert, in der Tendenz stimmen die meisten SPD-Länder dem Antrag Schleswig-Holsteins jedoch zu. Eine Mehrheit im Bundesrat scheint daher gesichert. Doch die Bundesregierung, die die Änderung der Verwaltungsvorschrift letztlich vornehmen muß, zeigt sich noch unentschlossen. „Wir wollen auf keinen Fall eine Aufweichung ökologischer Standards aus finanziellen Gründen“, erklärt Franz-August Emde, Sprecher des Umweltministeriums. Er weiß aber, daß er mit dieser kämpferischen Aussage ausnahmsweise keine Zustimmung bei den Umweltverbänden gewinnen kann, denn diese lehnen die Müllverbrennung nach wie vor ab. Etwas versöhnlicher ergänzt er deshalb: „Wenn die derzeit laufenden Untersuchungen des Umweltbundesamtes ergeben, daß auch BMA- Anlagen die Schutzziele der TaSi einhalten, dann sind wir wohl auch für eine Veränderung der TaSi- Kriterien zu haben.“
Bis die Ergebnisse des Umweltbundesamtes auf dem Tisch liegen, könnten allerdings noch ein bis zwei Jahre vergehen. Zeit, die den Kommunen fehlt, denn nach dem Jahr 2005 müssen sie die Anforderungen der TaSi einhalten. Die wesentlichen Investitionsentscheidungen sind also kaum noch aufzuschieben. Bisher sahen sich meisten Kommunen und Zweckverbände gezwungen, auf die Müllverbrennung zu setzen. Immerhin sind aber bundesweit auch schon 14 BMA-Anlagen in Betrieb, eine in Bau und etwa 20 weitere geplant. Der Rückschlag in der „Öko-Hauptstadt“ Freiburg, die ihre Rotte-Planung abbrach, weil sie eine ungeeignete Technik eingesetzt hatte, hinterließ bundesweit kaum Spuren.
Interessant sind die BMA-Anlagen nämlich nicht nur, weil weniger Widerstand der Anwohner zu erwarten ist. Sie sind auch eindeutig billiger: Die Behandlungskosten pro Tonne Müll liegen zwischen 100 und 250 Mark, während sie für die Müllverbrennung, je nach Technologie, mit 500 bis 800 Mark berechnet werden.
Das Umweltministerium von Nordrhein-Westfalen rechnet deshalb mit einem „Dammbruch“ zugunsten der BMA-Anlagen, falls es gelingt, sie rechtlich der Müllverbrennung gleichzustellen. Gerade das aber dürfte Kommunen und Kreise verärgern, die bereits auf die teure Müllverbrennung gesetzt haben. Neid und Mißgunst könnten die Folge sein, wenn sich die Nachbarkommune nun doch einer billigeren und weniger unbeliebten Technologie bedienen darf. In Düsseldorf gibt es daher schon Überlegungen, einen Ausgleichsfonds für Kommunen zu schaffen, die von der alten SPD-Landesregierung zur Müllverbrennung gezwungen wurden. Der damalige Umweltminister Klaus Mathiesen hatte verfügt, daß die in der TaSi vorgesehene Übergangsfrist um sechs Jahre verkürzt wurde. Sie läuft schon 1999 ab. Zwar hatte im Sommer das NRW-Oberverwaltungsgericht den Sonderweg Mathiesens als „offensichtlich rechtswidrig“ abgelehnt, für viele NRW- Kommunen jedoch kommt die Entlastung zu spät. Sie können davon nicht mehr profitieren. Die Arbeitsgemeinschaft der Länderabfallexperten (Laga) empfiehlt den Gemeinden deshalb, trotz des Zeitdrucks mit ihrer Entscheidung noch etwas zu warten.
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