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Bedingt einsatzbereit

■ Opposition fehlt Klarheit über Bosnien-Einsatz

„Ein paar Tonnen olivgrüner Farbe und die alten Einsatzhelme aus dem Gepäck geholt.“ Was dem UN-Militärsprecher Chris Vernon allenfalls eine Frage der Mimikry seiner Truppe ist, müßte dem Bundestag eigentlich Anlaß einer grundlegenden Debatte sein.

Müßte, denn es ist der bislang größte Auslandseinsatz der Bundeswehr out of area.

Müßte, denn zur Aufgabe der UNO- Truppe wird die Erzwingung eines Friedens gehören, der diesen Namen erst noch verdienen will.

Müßte, denn auch für die deutschen Soldaten gilt im konkreten Fall diese Einsatzmaxime. Auch wenn sie nicht an den Waffenstillstandslinien stehen: Mit Heckenschützen haben auch sie zu rechnen.

Müßte, aber wird nicht. Wenn der Bundestag in der kommenden Woche seinen Beschluß fällt, wird er lediglich nachvollziehen, was die Bundesregierung im Nachvollzug der Bündnisanforderungen beschlossen hat. Schlimmer noch, er wird eine Vollmacht erteilen, bevor die entsprechenden Beschlüsse der UN und der Nato vorliegen. Wer deshalb darauf pocht, daß der Bundestag eine zweite Beschlußrunde zur Weihnachtszeit einlegen sollte, hat das Problem verkannt. Auch dann wird der Kenntnisstand kein anderes Ergebnis produzieren.

Nach dem Out-of-area-Beschluß des Bundesverfassungsgerichts hat der Bundestag darauf verzichtet, Grundzüge solcher Einsätze zu beschließen. Die Entscheidungen sollten im Einzelfall erfolgen. Im Einzelfall hinkt die Legislative jedoch, das zeigt die Erfahrung, der Entwicklung hinterher, und das ist nicht der Informationspolitik der Bundesregierung geschuldet. Die Oppositionsparteien haben bislang darauf verzichtet, auf Eckpunkte der Einsatzpolitik zu pochen – weil sie selbst keine einheitlichen haben. Lafontaine lehnt die Tornados über Bosnien ab, als wenn nicht bereits die Bewaffnung der Bodentruppen einen Kampfeinsatz ermöglichte. Die SPD-Fraktion wird auch den Tornados zustimmen. Wie auch die Spitze der Grünen-Fraktion, der eine Parteiführung im Nacken hockt, die das Kunststück fertigbringt, die Einigung von Dayton zu begrüßen und sich ihr in der Konsequenz zu verweigern. Bei soviel inneren Widersprüchen wird es auch nichts nutzen, eine Einheitlichkeit des Vorgehens erzwingen zu wollen. Da gilt es vielmehr, wenn auch notgedrungen, das offene Austragen dieser Widersprüche als Qualität zu begreifen, auch wenn es die Bundesregierung einstweilen ungeschoren läßt. Dieter Rulff

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