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Nagel solidarisierte sich mit CDU-Kollegen

■ Mißtrauensanträge gegen Diepgen und CDU-Senatoren gescheitert

Eigentlich hätte Klaus Landowsky gestern wieder einmal rundum zufrieden sein können. In nur elf Minuten waren die Mißtrauensanträge der Opposition gegen den Regierenden Bürgermeister Eberhard Diepgen, Innensenator Dieter Heckelmann und Finanzsenator Elmar Pieroth (alle CDU) abgeschmettert worden. Doch als der CDU-Fraktionschef die Ausdrucke der namentlichen Abstimmung sah, geriet er in Rage. „Scheißmaschine“ entfuhr es dem 53jährigen. Ausgerechnet unter dem PDS-Mißtrauensantrag gegen seinen Jugendfreund Diepgen hatte der Computer sein Nein-Votum mit „nicht abgegeben“ vermerkt.

Wieder einmal, wie so häufig, hatte die millionenteure Zählanlage im Abgeordnetenhaus kläglich versagt. Auch die Enthaltung von SPD-Fraktionschef Klaus Böger beim Mißtrauensantrag gegen Heckelmann wurde nicht verzeichnet, ebensowenig die Voten von Bundessenator Peter Radunski und von Ursula Birghahn, beide CDU. Ganz und gar schusselig mit der Technik stellte sich die bündnisgrüne Abgeordnete Jeannette Martins an, die gleich dreimal für die CDU-Senatoren stimmte. Man müsse mit Neulingen Nachsicht haben, meinte später Fraktionschef Wolfgang Wieland: „Das kann passieren.“

Abgesehen von technischen und menschlichen Unzulänglichkeiten verlief die gestrige Sondersitzung wie am Schnürchen. Der PDS-Antrag gegen Diepgen wurde mit 88 gegen 61 Stimmen bei 51 Enthaltungen abgelehnt, für ein Mißtrauensvotum wären 104 Stimmen notwendig gewesen. Zufrieden konnte auch Finanzsenator Elmar Pieroth sein. Dem gegen ihn gerichteten bündnisgrünen Mißtrauensantrag verweigerten sich 87 Parlamentarier, 59 waren dafür, 55 enthielten sich.

Am schwächsten fiel das Vertrauensvotum für den Innensenator aus. Immerhin 82 Parlamentarier stimmten gegen Heckelmann, darunter 21 Abgeordnete der SPD. 32 enthielten sich jedoch, 85 blieben Heckelmann treu.

Verärgerung löste bei der SPD Wolfgang Nagel aus. Der wegen seines Eigensinns gefürchtete Bausenator hatte in allen drei Fällen als einziger seiner Fraktion für die CDU-Kollegen gestimmt. „Politische Mätzchen“ mache er nicht mit. Andere vermuteten taktische Gründe. Nagel, der in der SPD- Fraktion umstritten ist und weiterhin dem Senat angehören will, baue offenbar vor, meinte der Anführer der sozialdemokratischen Heckelmann-Gegner, Hans-Georg Lorenz. Schließlich sei die parlamentarische Wahl der neuen Senatoren geheim. Da könnten CDU-Stimmen ausschlaggebend sein. Für ihn sei Nagels Haltung schlichtweg „politisch korrupt“, meinte Lorenz. Der Bündnisgrüne Wieland konnte es gelassener sehen. Ob die vom Bausenator praktizierte „Solidarität“ zum Erfolg helfe, werde sich ja noch zeigen. Severin Weiland

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