■ DER ROTE FADEN: Die Sprache des Internet
Die Mönche, die in ihren klösterlichen Schreibstuben lateinische Texte schrieben, lösten damit schon vor mehreren hundert Jahren ein Problem, das in diesem Herbst in der Newsgroup alt. culture .internet eine längere Debatte ausgelöst hat. „Hi“, schimpft Claudio Henrique Santos aus Brasilien (csantos@br.home shopping. com.br), „warum schreiben einige von Euch Botschaften in einer Sprache, die nicht Englisch ist? Erzählt mir nicht, daß die nur von Euren Freunden gelesen werden, beim Jupiter!“
Beim Barte des Propheten! Die etwa 8.000 Newsgroups des Internet diskutieren über Gott und die Welt. Warum also nicht auch über die Sprache des Internet? Sie bedient sich englischer Worte, wenn auch nur teilweise der englischen Grammatik. Auch dieser Zug zum Populären ist nicht neu. Schon die Mönche schrieben ein Latein, das mit der Sprache Vergils wenig zu tun hatte. Allgemeine Verständlichkeit war wichtiger, dasselbe gilt für den Internetslang, der keine Literatur von Shakespeares Gnaden ist, aber doch gut genug für die Klage von eseevda @miavx1.acs.muohio.edu. In Deutsch würde sie so lauten: „Habe nun (ach!) einige Jahre im Netz gestöbert („browse“), und mir scheint, daß 95 von 100 Nachrichten in Englisch verfaßt sind. Dieses Monopol des Englischen ist merkwürdig und ein wenig erschreckend. Wird mir jemand antworten, der nicht englisch spricht?“
„Guess I don't qualify“, hat kühl Preston L. Bannister aus Kalifornien geantwortet, der sich als später Nachfahre nordenglischer Einwanderer vorstellt (475pg3@4v7panix3.panix.com). „Falsche Adresse“ würde das wohl in der deutschen Provinz heißen. „Warum soll es merkwürdig oder erschreckend sein? Hat es Dich gestört, daß Du das alles in Englisch geschrieben hast?“
Sogar das stolze Frankreich muß damit leben. „Englisch ist die offizielle Sprache in der Luft, auch wenn Du einen französischen Flughafen anfliegst. Es braucht keine Großbuchstaben und hat für alles einen genauen Begriff. Für andere Sprachen gilt das nicht. Du mußt nicht englisch schreiben. Nur versteht Dich dann keiner.“ (4765597uv@ionews.ionet.net)
Ronda Hauben aus New York City vielleicht doch. Sie bildet sich im Netz weiter. „Ich habe angefangen, ein wenig Japanisch zu lernen, und weil mich neulich jemand auf eine italienische Webseite hingewiesen hat, will ich mir jetzt ein italienischens Wörterbuch kaufen. Hier wächst eine Weltkultur heran“. (ronda @panix.com).
„Es ist nicht das Medium, es ist die Botschaft“, schrieb umgehend Walter Petelka zurück, wohl in der Annahme, Rondas Meinung besonders gut getroffen zu haben, „ich glaube, das hat McLuhan gesagt“. (wpetelka@idirect.com).
Leider nicht ganz, Englisch ist eben doch eine schwere Sprache. „Keine Ahnung, was Du damit sagen wolltest. McLuhan meint das Gegenteil. Das Medium IST die Botschaft.“ (Paul Phillips, 110637.7209@news2.compulink.com.)
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