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Gerüchte, Entscheidungen und eine Fahne

■ Politiker, Polizisten und Journalisten machten sich einen aufregenden Tag in Bonn. Aber trotz aufwallender Spannungen tritt kein FDP-Minister zurück

Bonn (taz) – Als der Bundestag gestern um den Einsatz der Bundeswehr in Bosnien rang, hörten manche nur mit einem halben Ohr hin. Zu spannend war für viele das, was am Rande der Parlamentarierversammlung besprochen und diskutiert wurde.

Tritt FDP-Wirtschaftsminister Günter Rexrodt nun zurück oder nicht? Jede Bewegung wurde registriert: wie Kanzler Kohl nach seiner Regierungserklärung mit dem FDP-Fraktionschef Hermann Otto Solms sprach, wie auf der Regierungsbank die Justizministerin Leutheusser-Schnarrenberger mit ihrem (Noch-)Kabinettskollegen Rexrodt tuschelte, um dann wieder mit verschränkten Armen ins Plenum zu blicken. Beide verließen immer wieder die Bundestagsdebatte. Wenige Meter vom Plenum entfernt tagte die FDP-Führung – wohlgemerkt ohne Rexrodt. Statt dessen soll es Gespräche unter vier Augen zwischen dem noch Wirtschaftsminister und seinem Parteivorsitzenden Gerhardt gegeben haben.

Von Stunde zu Stunde stieg die Fieberkurve der Gerüchte an: Rexrodt tritt heute noch zurück. FDP-Chef Gerhardt konnte Solms nicht überreden, neuer Wirtschaftsminister zu werden, jetzt soll der FDP-Wirtschaftsexperte Paul Friedhoff den Job machen. Andere hatten gehört, daß es nicht nur um den Rücktritt des Wirtschaftsministers gehen soll. Vielmehr habe Kanzler Kohl die Nase jetzt so voll von der FDP, daß er gleich das ganze Kabinett umbilden wolle. Wie gesagt, alles nur Gerüchte.

Dabei hatte am frühen Morgen noch alles so klar ausgesehen: Rexrodt hatte am Dienstag abend in der Fraktion die Rückendeckung von Parteispitze und Fraktion gefordert. Das einzige, was er bekam, war eisiges Schweigen. Sein Rücktritt schien unausweichlich. Doch, so hieß es, Rexrodt wolle diesen Schritt nicht von sich aus tun, sondern er erwarte, daß man ihm offen sage, daß er als Minister nicht mehr gewünscht sei.

Am Mittag zog sich das FDP- Präsidium ins stille Kämmerchen zurück, und die Journalisten fingen selbst den letzten Hinterbänkler zum Gespräch ab. Vielleicht hatte der ja was gehört. Von der FDP jedoch ließ sich niemand blicken. Kurz vor 15 Uhr dann die Nachricht: Rexrodt tritt nicht zurück. FDP-Chef Gerhardt sagte: „Es gibt keinen Grund für eine Personalentscheidung.“ Alle drei FDP- Minister blieben im Amt.

Nur für ein paar Minuten war die Aufmerksamkeit von der FDP gewichen: als vier Polizeibeamte, die als Sicherheitskräfte im Bundeshaus arbeiten, einen laut schreienden Boulevardjournalisten im Polizeigriff quer durch die Empfangshalle des Parlaments auf die Herrntoilette schleppten und die Tür verriegelten. Angeblich hatte der Berliner Journalist sich unerlaubt in eine Sicherheitszone begeben. Erst die Entrüstung seiner Kollegen sorgte dafür, daß er freigelassen wurde. Aber die Journalisten rächten sich: Einer hatte bei einem Sicherheitsbeamten eine deutliche Alkoholfahne gerochen. Der Beamte mußte ins Röhrchen blasen. Karin Nink

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