Unterm Strich

Hätten Sie's gewußt? In der großen redaktionellen Morgenrunde wurde gestern mit einigem Verdutz auf seiten vor allem der noch jugendlichen Mitarbeiter zur Kenntnis genommen, daß der Regisseur und Schriftsteller Hans-Jürgen Syberberg, der heute sechzig Jahre alt wird, der erste Kolumnist der taz war. Eine erneute Inspektion jener Seiten von damals (1980 ff.) ergab zunächst, daß ein hübsches Foto die Kolumne zierte – die übrigens „Syberbergs Notizen“ hieß: Das Gesicht des Autors verschwindet fast gänzlich hinter eine Tasse Tee, aus der er gerade trinkt, und nur ein paar Haarbüschel grüßen aus den Seiten noch dynamisch heraus. Weiterhin zeigt sich, daß Syberberg damals durchaus schon seiner heutigen Meinung war: Die „große Wunde unserer Zeit“, so fand er damals schon in einer Apologie für den Kollegen Hochhuth, sei „die Macht und Privilegien des linken Establishments in Deutschland“, der „Fließbandarbeiter des Geistes in einem Lande, wo die Bäume sterben und die Fische vergiftet werden“. Wie kam es dazu? Wie später in seinem Beitrag zu „Die selbstbewußte Nation“ auch nachzulesen, konnte man in der Ausgabe vom 29. 8. 80 erfahren, daß es „Selbstschuld und Krise des traditionellen Geistes“ (!) waren, die aus deutschen Intellektuellen solche „nachhitlerischen Chauvinisten“ gemacht haben. „Nur wehe, wenn einer den Kopf herausstreckt.“ Wer damit gemeint war, darüber mußte man schon damals nicht lang rätseln – mit Bocksprung über den Kollegen Hochhuth kommt Syberberg zur eigenen geschmähten Person, deren Buch „Die freudlose Gesellschaft“ nun „in Frankreich und Amerika herauskommen wird“. Und so ist es, im wesentlichen, geblieben, auf beiden Seiten, nur daß heute auch Amerika seinen Kredit bei Syberberg verspielt hat, dessen Besatzerkultur nämlich an fast allem schuld ist, was nicht deutsche Intellektuelle verbockt haben.