Auch doppelt hält nicht besser

Die Planungsgesellschaft für den Transrapid muß „Restmängel“ zugeben: Die Betonstelzen der Versuchsstrecke im Emsland bröseln, die Schrauben sind locker  ■ Von Heike Haarhoff und Sven-Michael Veit

Hamburg (taz) – Manchmal ist eben eine Schraube locker. Und doppelt, so hat sich gezeigt, hält auch nicht besser: Der Transrapid gleitet nicht mehr, er wackelt.

Spätestens in zwei Jahren soll nach Informationen der taz die mehr als 20 Kilometer lange Transrapid-Versuchsstrecke bei Lathen im Emsland stillgelegt werden. Denn die Schrauben, die den Stelzenring zusammenhalten sollen, brechen mit unschöner Regelmäßigkeit. Und die Versuche, mit einem doppelten Schraubensatz die Konstruktion haltbarer zu machen, sind ebenfalls bereits gescheitert.

„Es gibt überhaupt noch keine Schrauben, die den Druck aushalten“, weiß Rainder Steenblock, Verkehrsexperte der grünen Bundestagsfraktion, auszuplaudern, was er hinter vorgehaltener Hand von den Betreibern der Anlage erfahren hat.

Und auch die Stelzen selber bröckeln. Der Beton, aus dem die 4,70 Meter hohen Träger gegossen sind, ist nicht elastisch genug, um auf Dauer den Schwingungen standzuhalten, die der Magnetgleiter verursacht. Zwar ließe sich der Bröselbeton theoretisch durch Stahlkonstruktionen ersetzen, doch wären die nach Einschätzung von Fachleuten erstens teurer, böten zweitens einen geringeren Lärmschutz und würden drittens das Problem mit den Schrauben auch nicht lösen.

Die Behauptung von der „jahrzehntelangen Wartungsfreiheit“ der Magnetstrecke gerät zur Mär; schlimmer noch aber dürften die hohen Sicherheitsrisiken sein – Entgleisungen nicht ausgeschlossen. Es gebe „gewisse Restmängel“, räumt denn auch Hans-Peter Friedrich ein. Der Leiter der Versuchstechnik bei der Magnetbahn- Versuchs- und Planungsgesellschaft (MVP), Betreiber der Anlage im Emsland, verweist die Sache jedoch in die graue Vorzeit. Es handele sich um einen „Herstellungsmangel“ bei Beton und Schrauben, aber diese Schwierigkeit datiere „aus den 80er Jahren“. Durch eine „Modifikation der Befestigung und durch neue Fahrwegelemente“ sei die Gefahr gebannt, die Stabilität der Träger stehe außer Frage. Die emsländische Referenzstrecke werde „mindestens“, hofft Friedrich, bis zur Inbetriebnahme der Strecke Hamburg – Berlin weiterbetrieben“. Mutig, denn genau das kann noch sehr lange daueren. Niemand kann heute schon sagen, wei der schnelle Gleiter je in die Großbaustelle namens Berlin einfahren soll. Im Jahre 2005 soll trotzdem der erste Zug abfahren, frühestens. Denn nach dem derzeitigen Stand der Technik sei die Tragfähigkeit dieser 286 Kilometer langen Verbindung keineswegs gesichert, glaubt hingegen Rainder Steenblock nachweisen zu können.

Es sei auch von seiten der Transrapid-Befürworter „völlig unbestritten“, weiß der Grüne, daß die „Montage des Fahrweges unklar ist“. Zudem müßten nach Insiderberichten zusätzliche Weichen und Umleitungen gebaut werden, um liegengebliebene Züge aufs Abstellgleis schieben zu können. Angesichts der Restrisiken der Emsländer Teststrecke wohl eine dringend nötige Ergänzung der Konzepts.

Die Kosten für die Magnetbahn zwischen den beiden Metropolen, offiziell auf 8,9 Milliarden Mark beziffert (davon 5,6 Milliarden aus Steuermitteln), würden sich noch einmal drastisch erhöhen. Was bei solchen Summen aber wohl kaum noch ins Gewicht fällt. Ohnehin fußt diese Kalkulation der Betreibergesellschaft auf den Preisen von 1993. Bis zur Jungfernfahrt des ersten Transrapid, so sie denn in zehn Jahren stattfinden sollte, werden die Kosten sich eingestandenermaßen auf satte 13 Milliarden erhöht haben. Und darin, so geht aus den Unterlagen hervor, sind sämtliche Infrastrukturmaßnahmen noch nicht berücksichtigt. Die Kosten für neue Terminals in Berlin (Lehrter Bahnhof oder Papenstraße) und in Hamburg (direkt am Hauptbahnhof) sind noch gar nicht kalkulierbar, so wenig wie die Summen für die beiden diskutierten autobahnnahen Bahnhöfe an den Stadträndern (Hamburg-Billwerder und Berlin-Westkreuz). Um all diese dunklen Vorgänge um den Magnetgleiter etwas zu erhellen, stellt der grüne Steenblock nun eine Große Anfrage an die Bundesregierung. Und am 7. Februar 1996 wird der Verkehrsausschuß des Bundestages eine öffentliche Anhörung zu diesen Problemen durchführen. Vielleicht sieht man ja danach den Transrapid in völlig neuem Licht.