■ Ökolumne: Zerstörung der UNO statt Reform Von Andreas Zumach
Sie kann nicht überraschen, die Ankündigung der USA, zum Jahresende 1996 aus der UN-Organisation für industrielle Entwicklung (Unido) auszutreten. Schon lange kritisieren die Regierungen der Industrieländer mangelnde Effektivität der 1967 gegründeten Unido und die große Zahl hochbezahlter Funktionäre in der Wiener Zentrale. Kanada verließ die Organisation deshalb bereits vor einigen Jahren.Inzwischen können sich Kritiker zudem auf den im Oktober 1994 neu berufenen Generalinspekteur für die Finanzen der UNO, den Deutschen Karl-Theodor Paschke, berufen. In seinen ersten Empfehlungen zur Überwindung der Finanzkrise hatte Paschke die Auflösung der Unido empfohlen – ebenso wie der Organisation für Handel und Entwicklung, Unctad. Ihre Aufgaben, so Paschke, könnten von der neugegründeten Welthandelsorganisation WTO übernommen werden.
Doch genau in dieser Argumentation liegt ein zentrales politisches Problem. Zwar ist richtig, daß sich die Probleme der industriellen Entwicklung in den Ländern des Südens seit der Gründung der Unido wesentlich verändert haben. Ähnliches gilt für den Welthandel. Die Bedeutungslosigkeit, die Unido und Unctad heute von Kritikern aus dem Norden gern attestiert wird, ist aber nicht zuletzt Folge einer gezielten Verschiebung von politischen Gewichten und Zuständigkeiten.
Die nördlichen Industriestaaten haben in den letzten 15 Jahren die wirklich relevanten Diskussionen und Entscheidungen in Handels-, Währungs- und Entwicklungsfragen aus der UNO hinausverlagert – in Institutionen, die von ihnen dominiert werden oder wo sie sogar völlig unter sich sind: in Weltbank und Internationalen Währungsfonds (IWF); in die WTO oder in die G7, die Gruppe der sieben wichtigsten Industriestaaten.
Die Marginalisierung von Unido und Unctad bedeutete zugleich die Marginalisierung von rund 140 UNO-Mitgliedsstaaten aus der südlichen Hemisphäre. Für sie waren diese beiden Institutionen einst neben der Generalversammlung die wichtigsten Foren innerhalb der UNO. Auch deshalb halten diese Staaten an den beiden Institutionen fest, wehren sich empört gegen Auflösungsvorschläge und behindern oftmals die notwendigen Reformen.
Einen Ausweg aus diesem Dilemma gibt es nur, wenn die UNO-Mitgliedsstaaten zunächst einen Konsens über die künftigen politischen Prioritäten ihrer Arbeit finden. Auf dieser Basis ließe sich dann auch vernünftig über Sparmaßnahmen diskutieren. Zumindest in den letzten drei Jahren hatte sich die Unido unter ihrem neuen Generaldirektor, dem Mexikaner Mauricio de Maria y Campos, auf den Reformweg begeben. Die Stellen in der Wiener Zentrale wurden von 1.200 auf 900 reduziert. Die Unterstützung der Unido für den Umbau der Staatsunternehmen in Osteuropa zu Firmen, die auch unter Marktwirtschaftsbedingungen überleben können, stößt in diesen Staaten inzwischen auf großes Lob. Die EU-Staaten haben diese Verbesserungen anerkannt, zugleich aber kritisiert, daß die Bemühungen um mehr Kosteneffektivität und Abbau von Bürokratie noch zu langsam erfolgen. Bis zum 30. Juni nächsten Jahres soll die Unido weitere Reformfortschritte vorweisen.
Diese EU-Strategie ist richtig. Der Austritt aus der Unido aber, zu dem sich die Clinton-Regierung jetzt unter dem Druck des republikanisch beherrschten Kongresses entschieden hat, ist reine Willkür und Erpressung. Sie entspricht allein den nationalen Interessen der USA, ähnlich wie in den achtziger Jahren, als die USA die UNO-Organisation für Erziehung und Kultur (Unesco) verließen, weil ihnen Programme der Organisation politisch nicht in den Kram paßten. Die Rückhaltung von Pflichtbeiträgen an die Unido, die Washington ebenfalls angekündigt hat, ist zudem ein klarer Verstoß gegen die UNO-Charta. Sollte Washingtons Beispiel unter den Mitgliedsstaaten Schule machen, kommt es nicht zur Reform, sondern zur baldigen Zerstörung des UNO-Systems.
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