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Blutige Nasenrücken statt 85 Werbespots

■ Dürfen Firmen künftig beim Boxen die Pausenübertragung sponsern?

Focus machte sich mal wieder zum Anwalt seiner Infoelite. Empört, so berichtete das Magazin nach dem Kampf Maske – Rocchigiani, hätten sich die Zuschauer über einen „verdorbenen Feierabend“ beschwert, nachdem RTL sie mit nicht weniger als 85 Werbespots überschüttet hatte. Zweieinhalb Stunden Sendung – um gerade mal 36 Minuten Boxen zu sehen. Letzten Montag nun wußte das Bunte-Bilder-Blatt zu berichten, wie der Feierabend zu retten wäre: Künftig sollte in den Rundenpausen der Kampf analysiert, sollten die blutige Nase der Kämpfer und die Wiederbelebungsversuche der Coachs gezeigt werden – wenn man nur den Firmen erlaubte, die Auszeit zu sponsern („Diese Pause widmet Ihnen Haribo“). Dieser Satz sollte nicht nur kurz eingeblendet werden, sondern als Banderole durchgängig bis zum Gong stehenbleiben. Nur die bösen Aufseher von der niedersächsischen Medienanstalt hätten sich quergestellt, von wegen „Durchmischung von Werbung und Programm“.

Die Firma IPA-plus, die für RTL die Werbezeiten vermarktet, muß allerdings einräumen, daß die Rechtslage eindeutig ist: Der Hinweis auf den Sponsor darf nur so lange auf dem Bildschirm bleiben, wie man braucht, um sein Logo „deutlich wahrzunehmen“. So sagen es die Werberichtlinien. Und bislang hat auch RTL keinen Antrag gestellt, diese zu ändern. Vorstellbar wäre das ja. Auch in mancher Medienanstalt meint man, damit solle „kreativ“ umgegangen werden, gerade beim Boxen, wo die Pause unvergleichlich spannender ist als die Halbzeit im Fußball. Jedenfalls solange noch keine Kameras in den Duschen installiert sind.

In einer der elf Kampfpausen wird der RTL-Vermarkter heute einen Versuchsballon starten und, so Andreas Kühner von IPA-plus, „eine „abgespeckte Version“ des ursprünglich geplanten Sponsoring zeigen in der Hoffnung, daß die Niedersachsen „sich das mal angucken“. Nach welcher Runde, das soll der Regisseur erst während des Kampfes entscheiden. Fest steht dagegen heute schon, daß RTL für die gesponserte Pause 200.000 Mark einstreicht, kaum weniger als die 220.000, die ein 30-Sekunden-Werbespot an diesem Abend kostet.

„Umsatzneutral“ muß das neue Modell schon sein, darauf besteht der Werbevermarkter. Schließlich ist Boxen „sauschwierig zu refinanzieren“. Und so sei man, trotz höherer Werbepreise als bei Maske – Rocchigiani, nur ganz knapp in den schwarzen Zahlen. Die Übertragungsrechte sollen diesmal besonders teuer sein – wie teuer, wird aber nicht verraten. Maske und Rocchigiani haben 17,6 Millionen gesehen, absoluter Rekord. Für heute abend garantiert man den Werbekunden 15 Millionen Zuschauer, werden es weniger, gibt's einen Zusatzspot gratis. Bei der Wiederholung am nächsten Tag. Michael Rediske

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