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Wieso eine Regierung Bauernhöfe kauft

Die irische Regierung versucht offenbar, ein mysteriöses Rindersterben zu vertuschen. Auch Menschen sind betroffen. Anwohner geben die Schuld der örtlichen Industrie  ■ Aus Dublin Ralf Sotscheck

Man wolle wirklich nichts unter den Teppich kehren, sagte der irische Landwirtschaftsminister Ivan Yates und legte die Hand aufs Herz. Seine Regierung hatte gerade für umgerechnet rund eine Million Mark einen Bauernhof in der westirischen Grafschaft Limerick gekauft und einen zweiten gepachtet. Just auf diesen beiden Höfen hat vor etwa fünf Jahren ein mysteriöses Rindersterben eingesetzt, dem bisher fast 150 Tiere zum Opfer gefallen sind. Darüber hinaus kam es häufig zu Mißgeburten, darunter waren zum Beispiel Kälber ohne Augen. Die Zahl der eher seltenen Zwillingsgeburten stieg drastisch an, die Wehen dauerten manchmal hundert Stunden. Außerdem sagte Justin Ryan, der seine Farm an die Regierung verkauft hat, daß im vergangenen Winter ungewöhnlich viele Füchse auf den Hof gekommen waren. „Sie ließen sich einfach nicht verscheuchen“, sagte er, „und die meisten verendeten dann langsam auf dem Hof.“ Aber auch Menschen sind betroffen: Die Ärztin Mary Grey berichtete von einer „besonders schlimmen Deformation eines Babys“, wie sie ihr zuvor noch nie begegnet war. Außerdem soll die Zahl der Fehlgeburten in die Höhe geschnellt sein. Ryans Söhne, der dreijährige Alex und der fünfjährige Eric, bekamen Hautausschläge am ganzen Körper sowie entzündete Augen. Erst als Familie Ryan auf die Milch vom eigenen Hof verzichtete, besserte sich der Zustand rapide. Die Molkerei vernichtet bereits seit März die Milch vom Ryan-Hof. Neben den beiden Farmen, die von der Regierung übernommen wurden, sind 20 weitere Höfe betroffen, wenn auch in geringerem Maße.

Ryan macht die Industrieunternehmen in der Umgebung dafür verantwortlich. Sein Heimatort Askeaton liegt in der Nähe der Aughinish-Aluminiumfabrik. Die toten Rinder auf seiner Farm enthielten Aluminiumspuren, die 20mal höher waren als im Durchschnitt. Ryan wies außerdem darauf hin, daß sein Hof in der Windrichtung des Kohlekraftwerks Moneypoint liegt, dessen Schornsteine aus Kostengründen nicht mit Filtern ausgerüstet wurden. Er befürchtet, daß die Regierung die Untersuchungsergebnisse in der Schublade verschwinden lassen werde, falls er recht habe: Man wolle den Firmen nicht weh tun, glaubt er.

Europäische Experten für Tiergesundheitspolitik merkten an, es komme äußerst selten vor, daß eine Regierung einen Bauernhof kaufe. Offenbar mache man sich ernste Sorgen, daß die Vorfälle negative Auswirkungen auf die irischen Exporte haben könnten. Schließlich wirbt die Grüne Insel für ihre Produkte vor allem mit der unbelasteten Umwelt. Minister Yates wies jede Vertuschungsabsicht weit von sich. Die Regierung habe umgehend reagiert, erklärte er, und eine Untersuchung angeordnet, an der auch Wissenschaftler aus den USA und aus Großbritannien teilnehmen werden. Da man der Sache ein für allemal auf den Grund gehen wolle, sei mit dem Ergebnis aber leider nicht vor 1997 zu rechnen.

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