: Denkmal des unbekannten Mitarbeiters Von Mathias Bröckers
Nun ist es also geschafft: Mit dem Beschluß des Bundestags, Bundeswehrtruppen out of area einzusetzen, ist sechs Jahre nach der Wiedervereinigung der entscheidende Schritt zur Remilitarisierung der Bundesrepublik getan. Die Details – ob mit oder ohne Tornados, ob Kampfeinsätze oder nur „Friedenseinsätze“ – tun kaum etwas zur Sache.
Entscheidend ist, daß die Salami-Taktik funktioniert. War es vor sechs Monaten noch ein Skandal, daß deutsche Aufklärungsflugzeuge das Kriegsgebiet auch nur überflogen, sind heute bewaffnete Bodentruppen schon kein Thema mehr. Die deutsche Rüstungsindustrie, die militärischen Planer und nationalen Ideologen müßten die Serbenführer eigentlich für ein Verdienstkreuz vorschlagen. Wenn sie das brutale Gemetzel, das „endlich“ zum Eingreifen der Nato und Bundeswehr führte, nicht selbst veranstaltet hätten, hätte es erfunden werden müssen. Deshalb wohl hat man die abgehörten Funksprüche über geplante Massaker an der Zivilbevölkerung auch einfach ignoriert – um das größte Nato-Bombardement aller Zeiten zu legitimieren, brauchte es ein telegenes Blutbad.
Frühzeitig hat Deutschland durch die Anerkennung Kroatiens im diplomatischen Alleingang für eine Eskalation des nationalistischen Kriegs auf dem Balkan gesorgt – daß es jetzt Truppen schickt, um „Frieden“ zu schaffen, ist nur konsequent. Als zweitgrößter Waffenhändler der Welt mischen die Deutschen nicht nur als Kriegsprofiteur, sondern auch im Peacekeepinggeschäft endlich wieder mit: Zuerst (möglichst alle beteiligten) Kriegsparteien mit Zündstoff und Waffen versorgen, solange bis deren Kassen geleert sind – und dann mit schwerem Gerät, bezahlt vom heimischen Steuerzahler und mit Segen der UNO vor Ort dem grauslichen Morden ein Ende setzen.
Die Weltkarte der waffenexportierenden Nationen und der importierenden Kriegsgebiete zeigt, wie das Bombengeschäft funktioniert. Und die „Tagesthemen“ geben am Tag des Bundestagsbeschlusses den passenden Kommentar: In einem vorproduzierten Interview wird ein Bundeswehrunteroffizier zu seinem nunmehrigen Einsatz befragt, dazu Bilder vom Verladen und der Kommentar aus dem Off: „Unteroffizier Richter und seine Mitarbeiter werden schon morgen nach Bosnien aufbrechen ...“ Wie bitte? Wenig später fällt der Begriff noch mal – keine Soldaten, keine Truppe, keine Jungs oder Bundeswehrangehörigen sollen in den Schluchten des Balkans für Ruhe sorgen, sondern „Mitarbeiter“. Ob Security- Chairman Rühe vom Service-Center Hardthöhe den neuen Dienstleistungsterminus ausgegeben hat oder nur einem Redakteur der Reserve die Sicherung durchgeknallt ist, wissen wir nicht.
Sicher aber ist, daß derartige Verniedlichungen von Militäraktionen nicht einmal die Goebbelsschen „Wochenschauen“ wagten. „Mitarbeitende“ Zivilisten – 4.000 Sanitäter, Ärtze, Krankenschwestern – hat Deutschland gerade nicht geschickt, nein, es mußte unbedingt die Bundeswehr sein, die Enkelgeneration der SS: geläutert, demokratisch, zivilisiert und ganz ohne Mordgier in der Pupille. Nüchterne Handlanger des globalen Rüstungsgeschäfts. Wir treffen uns am Denkmal des unbekannten Mitarbeiters ...
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