Schmidbauer übt sich weiter in Rechtfertigung

■ Geheimdienstchef erklärt sich „aussagebereit“ in Sachen Plutoniumhandel. Noch blocken die CDU-Mitglieder im zuständigen Ausschuß aber eine Sondersitzung ab

Bonn (taz) – „Jederzeit“ aussagebereit hat sich Kanzler-Geheimdienstkoordinator Bernd Schmidbauer gestern erklärt, wenn die Mitglieder im Plutoniumausschuß das wünschten. Die Mitarbeiter im BND verdienten es nicht länger, „ständig verunsichert und diffamiert zu werden“, die Kritik an seiner Person und dem BND sei „völlig neben der Sache“, so der Staatsminister Kohls. Gleich zwei Skandale hatten die SPD bewogen, in einer Sondersitzung Schmidbauers Befragung zu beantragen und erneut nach seinem Rücktritt zu rufen. Bis zum Nachmittag blieb allerdings unklar, ob es noch vor Weihnachten eine Sondersitzung geben werde. Die CDU-Mitglieder blocken noch ab. Auch BND- Chef Porzner soll bei dieser Sitzung gehört werden. Der Anlaß: Der BND-Agent Nummer 77188 „Lolita“ alias „Rafa“ hatte vor dem Ausschuß enthüllt, daß der BND maßgeblichen Anteil daran hatte, daß im August 1994 363 Gramm waffenfähiges Plutonium per Lufthansa nach München geschmuggelt wurden. Vor den Wahlen sollte ein Fahndungserfolg gefeiert werden. Deshalb wurde der hochgefährliche Transport auf dem Luftweg aus Moskau bestellt. Bereits acht bis zehn Tage vorher stand der Zeitpunkt der Lieferung fest.

„Rafa“ gab an, später vor Gericht vom BND zu Falschaussagen genötigt worden zu sein. Er habe leugnen sollen, daß er wußte, auf welchem Weg das Plutonium kam. Skandal Nummer zwei: Im Saal 1903 des Untersuchungsausschusses outete „Rafa“ am Freitag einen BND-Mitarbeiter namens „Schurau“, der dort im Schutz der Kanzleramtsdelegation Platz genommen hatte. Ein weiterer BND- Mann, so wurde später bestätigt, saß unter den Zuschauern.

Während Regierungssprecher Hausmann von einem „normalen Vorgang“ sprach, werten die Ausschußmitglieder Bachmeier von der SPD und Such von den Grünen dies als eine „ungeheure Provokation des Deutschen Bundestags“, zumal „Schurau“ auch an nichtöffentlichen Sitzungen teilnahm. Unbeeinflußte Aussagen von Porzner und Schmidbauer seien deshalb nicht mehr zu erwarten, sie könnten gut vorbereitet in ihre Vernehmungen gehen.

Vor dem Landgericht München wird indessen weiter wegen Falschaussagen gegen „Rafa“ ermittelt, ein Vergehen, daß mit Haftstrafen zwischen drei Monaten und fünf Jahren geahndet werden kann. Ob dies milder gesehen werden könnte, wenn sich bestätigt, daß „Rafas“ Aussagen dort unter BND-Druck erfolgen, darüber wollte ein Sprecher der Staatsanwaltschaft gegenüber der taz „nicht spekulieren“. Holger Kulick