Batmans Neffen Von Karl Wegmann

Man kennt das: Freunde fahren in Urlaub und bitten einen, die Blumen zu füttern, die Katze zu gießen etc. Lästige Freundschaftspflicht. Bei meinem alten Kumpel Costas, der wie jedes Jahr samt Familie fünf Wochen nach Griechenland entfleuchte, sah alles ganz einfach aus: keine Katze und nur wenig, äußerst pflegeleichtes Grünzeug. Kein Problem! Nach einer Woche raffte ich mich auf und besuchte das verwaiste Heim der Familie Anastasopoulos. Die Rolläden hingen auf Halbmast, und Pflanzen standen alle in der Küche und sahen gesund aus. Kurz gewässert und noch schnell in Costas Arbeitszimmer, um mir einen Roman auszuleihen. Mein Freund besitzt Tausende von Büchern, die in beeindruckenden Regalen drei Wände seines Büros bedecken. Ich machte mir nicht die Mühe, den Rolladen hochzuziehen, sondern schaltete das Licht ein. Kurz geblendet, bekam ich nicht richtig mit, wo das Ding hergekommen war, das da plötzlich aufgeregt im Zimmer umherflatterte. Es war klein, etwa so groß wie ein Zaunkönig. Das Oberlicht stand einen Spaltbreit offen, ich machte mir keine Sorgen, „wird schon wieder verschwinden“, dachte ich. Als ich nach einer weiteren Woche zum zweiten Mal kam, hatte ich den Vorfall längst vergessen. Doch als ich in Costas Büro wieder das Licht anknipste, stand ich mitten in einem Horrorfilm. Zwanzig bis dreißig der Dinger sausten aufgeregt im Zimmer rum, ein gutes Dutzend hing an und in den Bücherregalen. Fledermäuse! Licht aus, Tür zu! Abends beim Bier erzählte ich Willy von der Sache. Willy weiß alles über Tiere. „Kommt andauernd vor“, erklärte er, „Zwergfledermäuse lieben alles, was eng und warm ist. Letztes Jahr hab' ich von einem Fall gehört, wo über 300 eine Wohnung in Besitz nahmen.“ Dann beruhigte er mich: „Mach einfach abends das Fenster weit auf und ein bißchen Lärm, die verschwinden sofort.“ Ich schwöre, genau das hatte ich vor. Doch dann kam diese Hitzewelle, man mußte andauernd am Baggersee rumliegen und danach in den Biergarten, irgendwie kam ich nicht mehr dazu. Und dann war Familie Anastasopoulos auch schon wieder da. Ich holte sie nachts vom Flughafen ab und erzählte – Hahaha! – von einer winzigen Fledermaus, die ich in ihrer Wohnung angetroffen hatte. Die kleine Helena war begeistert: „Wow, Mäuse mit Flügeln!“ Was dann kam, stellte unsere Freundschaft auf eine harte Probe. Das zähe Grünzeug hatte sich als nicht zäh genug erwiesen. Moni, Costas Frau, war nicht amüsiert. Ich stammelte noch eine Entschuldigung, als uns Costas Schrei in die Glieder fuhr. Der Anblick war überwältigend: Hunderte von Zwergfledermäusen hatten sein Arbeitszimmer in eine Höhle verwandelt. Helenchen war hin und weg: „Geil, kleine Batmans! Können wir die behalten?“ Ich wartete die Antwort nicht ab, sondern stürmte los und riß das Fenster auf. Prompt begann der ungeordnete Rückzug. Costas jammerte nur noch: „O mein Gott, die haben meine James-Joyce-Gesamtausgabe zugekackt.“ Sogleich versuchte ich, die Situation zu entschärfen, und erklärte, daß der Kot als Blumendünger sehr wertvoll sei, in anderen Ländern würde er sogar gesammelt und nach Europa verkauft... Ich entkam nur knapp. Fürs nächste Jahr bin ich zuversichtlich: Meinen Job als Wohnungshüter bin ich los!