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EU beraubt Menschen ihrer Gene

■ Die Kommission verabschiedet eine nur wenig veränderte Richtlinie zum Schutz biotechnologischer Erfindungen

Berlin (taz) – Von demokratischen Entscheidungen hält die EU-Kommission nicht viel. Gestern verabschiedete sie eine neue Richtlinie zum Schutz biotechnologischer Erfindungen. Das Papier ist zwar etwas anders formuliert als die im März vom Europaparlament abgelehnte Vorschrift. Inhaltlich unterscheidet sie sich jedoch an den entscheidenden Punkten nicht. Lediglich die Manipulation an der menschlichen Keimbahn soll jetzt nicht mehr patentierbar sein. „Ein Vermarktungsmonopol auf etwas, was an sich verboten ist, war sowieso völlig absurd“, kommentiert die grüne Europaparlamentarierin Hiltrud Breyer.

Weiter möglich machen will die EU-Kommission hingegen die Patentierbarkeit von menschlichen Genen. Zwar gehen die Menschen mit medizinisch interessantem Erbmaterial nicht in den Besitz des Entdeckers dieser Gene über. Sie verlieren aber beispielsweise das Recht, ihre ureigenen Gene für die allgemeine Forschung zur Verfügung zu stellen. Wird ein Therapeutikum damit hergestellt, bekommen die Gen-Lieferanten keinen Pfennig für die Vermarktung. Die Ärzte, die die Medizin verwenden wollen, müssen hingegen eine Lizenzgebühr an den Entdecker zahlen. Damit wird das europäische Patentübereinkommen ausgehebelt, das außer den EU-Ländern noch weitere Nationen unterschrieben haben. Darin sind Therapien grundsätzlich vom Vermarktungsmonopol ausgeschlossen.

Weiterhin wollen die EU-Kommissare gentechnisch manipulierte Tiere und ihre Nachkommen unter Erfinderschutz stellen. Nicht nur für eine unmittelbar verkaufte Krebs-Maus darf DuPont demnach kassieren, sondern auch für alle Nachkommen einer solchen Kreatur sollen Lizenzgebühren bezahlt werden. Nur für Bauern gibt es das sogenannte Landwirteprivileg. Die Nachkommen gentechnisch manipulierter Tiere und Pflanzen sind in dem Fall nicht lizenzpflichtig, wenn sie für Schlachtbank oder Mühle bestimmt sind. Verboten ist hingegen auch für Bauern die Züchtung oder Weitergabe an andere.

Jetzt ist wieder das Europaparlament gefragt. Nach siebenjähriger Diskussion und langen Verhandlungen im Vermittlungsausschuß hatten die Abgeordneten die Richtlinie im Frühjahr endgültig abgelehnt. Kommissar Martin Bangemann diffamierte damals die Haltung der ParlamentarierInnen als kindlich. Mit dem neuen Vorstoß hoffen die EU-Kommissare jetzt offenbar, die Richtlinie doch noch durchzubringen, ohne auf die entscheidenden Kritikpunkte des Parlaments einzugehen. Die Industrie macht Druck: Die Initiativgruppe „Kein Patent auf Leben“ berichtet von einem Brief aus dem Hause Bayer an die Kommission, in dem der Leverkusener Konzern genau das vorschlägt, was die Kommission jetzt tut. Annette Jensen

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