: "Kündigungen sind Mumpitz"
■ Der ÖTV-Vorsitzende Kurt Lange über Vorstellungen der Gewerkschaft zur Konsolidierung des Landeshaushalts. Das Land sollte Immobilienmanagement betreiben, statt landeseigene Anteile zu verkaufen
taz: Herr Lange, heute beginnen die Koalitionsverhandlungen zwischen SPD und CDU mit Gesprächen über die Finanzlage. Ihr SPD-Kollege Walter Momper hat kürzlich Kündigungen im öffentlichen Dienst zur Sanierung des Haushalts vorgeschlagen. Ein gangbarer Weg?
Kurt Lange: Herr Momper hat in dem Fall absoluten Mumpitz erzählt. Im öffentlichen Dienst können schon aus rechtlichen Gründen keine betriebsbedingten Kündigungen durchgeführt werden. Der Einspareffekt wäre nebenbei gering. Für uns gelten nach wie vor die Zusagen der Koalitionäre aus der vergangenen Legislaturperiode, keine Entlassungen durchzuführen.
Welchen Beitrag kann denn die Gewerkschaft leisten?
Zunächst einmal müssen die Einnahmen und Ausgaben verbessert, muß die Verwaltungsreform vorangetrieben werden. Die Gewerbesteuer ist in Berlin viel zu niedrig, selbst in Königs Wusterhausen ist sie um hundert Punkte höher. In der Tat haben wir in vielen Bereichen zu geringe Gebühren. Beispielsweise bei den Kitas, wo einkommensschwache Eltern entlastet und jene stärker zu Kasse gebeten werden müßten, die besser verdienen.
Sollen die oberen Einkommensgruppen im öffentlichen Dienst auf Lohn verzichten?
Es geht nicht um die Frage eines generellen Lohnverzichts. Man kann über alles reden, nur nicht über einen Lohnverzicht in den unteren und mittleren Gehaltsgruppen. Die Treppe muß von oben gekehrt werden: Der Senat ist gefordert, die Staatssekretäre, die Referenten.
Die Verwaltung soll also ungeschoren bleiben?
Nein. Wir wollen eine Verwaltungsreform, die künftig Blind- und Doppelleistungen vermeidet. In Zusammenarbeit mit den Beschäftigten könnten jedes Jahr 200 Millionen Mark eingespart werden.
Bei der Verwaltungsreform drückt ein Teil der Innenverwaltung derzeit aber auf die Bremse.
Das ist richtig. Die Innenverwaltung und die Finanzreform haben der Reform stets äußerst skeptisch gegenübergestanden. Die Informationen für die Beschäftigten waren bislang unzureichend, der Produktkatalog wurde in einer Art Geheimdiplomatie erstellt.
Nun sind Sie auch SPD-Mitglied, Sie wissen, daß gespart werden muß. Schlagen da nicht zwei Seelen in einer Brust?
Meine Aufgabe als Gewerkschafter ist es nicht, Sparvorschläge auf den Tisch zu bringen. Wir wollen den öffentlichen Dienst und seine Produktivitätssteigerung mit begleiten. Der Prozeß darf aber nicht allein auf Kosten der Arbeitnehmer gehen.
Was halten Sie vom Verkauf von Landesanteilen, etwa bei der Bewag?
Der Verkauf von Bewag-Anteilen ist absoluter Unsinn. Da muß man strukturell rangehen. Wer glaubt, man könne so das Defizit von vier Milliarden Mark entscheidend verringern, der irrt.
Das Schlagwort von den „strukturellen Einsparungen“ ist doch verwaschen. Es geht jetzt um schnelle Entscheidungen.
Eines der großen Hindernisse struktureller Veränderungen ist nach wie vor die kameralistische Haushaltsführung, an der auch die Zuweisung der Globalsummen an die Bezirke nichts geändert hat. Es ist doch unsinnig, wenn ein Gartenbauamt im Dezember noch einmal 200 Besenstiele bestellt, um die ihm zugewiesene Summe auszuschöpfen, damit im nächsten Jahr wieder genausoviel Geld fließt. Das sind die strukturellen Änderungen, die notwendig sind.
Was halten Sie vom Verzicht auf Großprojekte?
Die U5 und der Tiergartentunnel werden im wesentlichen durch Bundesmittel getragen, das ist nicht der entscheidende Punkt. Fatal sind allerdings die hektischen Wohnungsverkäufe des Senats. Notwendig wäre hier ein Immobilienmanagement, das landeseigene Immobilien optimal verwertet. Interview: Severin Weiland
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