: Verkehrte Welt am Runden Tisch
■ Hausbesitzer instrumentalisiert Besetzer im Streit mit dem Bezirksamt. Baustadtrat Matthias Klipp will das von der Baupolizei gesperrte Haus räumen lassen
Besetzer im eigenen Haus, das ist im Normalfall das Schlimmste, was einem Eigentümer passieren kann. Doch Olaf Taubeneck, der als Rechtsanwalt die Eigentümer der Schliemannstraße 10 vertritt, sind die dort lebenden Besetzer als Druckmittel gegen das Bezirksamt Prenzlauer Berg „ganz recht“. Trotzdem droht jetzt die Räumung des Hauses.
Das Haus ist wegen gravierender Mängel baupolizeilich gesperrt. Die Bewohner müssen ohne Strom und Wasser auskommen. Auch die Stabilität ist zumindest in Teilen des Hauses gefährdet. Die Bauaufsicht hatte die Eigentümer aufgefordert, bis zum 15. Dezember die Sicherheitsmängel zu beseitigen. „Wir haben den Zustand des Hauses nicht zu vertreten“, lehnte Taubeneck jede Verantwortung ab, „wir werden keinen Pfennig zahlen.“
Die Eigentümer wollen eine lukrative Neubebauung des größtenteils brachliegenden Grundstücks durchsetzen. Der Bezirk plant hier jedoch eine für das Sanierungsgebiet Helmholtzplatz dringend benötigte Grünfläche. Zwischen den Fronten sitzen die etwa 30 Besetzer, eine Gruppe multinationaler Obdachloser. Sie hatten sich vor anderthalb Jahren in der Halbruine eingerichtet und vertrauten auf eine mündliche Zusage der Eigentümer, daß sie bis 1998 bleiben dürften. Rechtsanwalt Taubeneck will von einer Duldung allerdings nichts wissen.
Wegen der Verweigerungshaltung der Eigentümer liegt der Schwarze Peter wieder beim Bezirk. Baustadtrat Matthias Klipp muß das Haus nun wegen Gefährdung der öffentlichen Sicherheit räumen lassen oder die Sicherheitsmängel beseitigen lassen. „Dafür müßte ich aber eine Sanierungsgenehmigung geben, und dann wäre die geplante Grünfläche ein für allemal verloren“, stöhnte Klipp beim Runden Tisch Instandbesetzung am Montag abend. Denn dann könnten Eigentümer die Genehmigung ihrer Baupläne vor Gericht einklagen. „Der schickt euch vor bis zu dem Moment, wo er gewonnen hat“, versuchte Klipp den Besetzern die Strategie des Eigentümers zu verdeutlichen.
„Die Besetzer müssen dann raus, das ist ja wohl klar“, bestätigte Taubeneck gegenüber der taz. Als Mieter kämen sie nicht in Frage. Die Teilnehmer des Runden Tisches forderten das Bezirksamt auf, zu prüfen, ob es nicht doch eine Möglichkeit gebe, die Jugendlichen vorübergehend dort wohnen zu lassen. Schließlich sei klar, daß wegen des anstehenden Rechtsstreits auf Jahre nichts mit dem Grundstück passieren werde.
Klipp appellierte an die Besetzer, das Haus freiwillig zu verlassen, erntete dafür jedoch nur Wutausbrüche. „Wo sollen wir denn hin? Der Winter hat doch gerade erst angefangen!“ protestierte einer der Besetzer. „Außerdem sind wir gerade soweit, daß wir uns als Gruppe gefunden haben. Wir wollen zusammenbleiben.“ „Warum bloß“, fragte ein Teilnehmer des Runden Tischs, „habt ihr nicht eins der anderen leerstehenden Häuser besetzt?“ Gereon Asmuth
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