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Geschichtsmuseum als Schaubude

■ Das Deutsche Historische Museum ist reformbedürftig

Wohl kaum ein Museum steht seit seiner Gründung vor zehn Jahren mehr in der Kritik als das Deutsche Historische Museum (DHM). Der Beginn war eine Kopfgeburt des Kalten Krieges. Der geplante Museumstempel von Aldo Rossi im Spreebogen schien eine Provokation gegen die Moderne und schürte die Befürchtungen, das Konzept des Hauses könnte ebenso konservativ oder gar „nationalistisch“ ausgerichtet sein. Noch heute muß sich Christoph Stölzl, DHM-Direktor im Zeughaus, den Vorwurf des „Kanzlermuseums“ gefallen lassen, waren und sind doch seine Drähte nach Bonn recht kurz.

Doch Stölzl sieht sein Haus weder als kanzlernahe „ideologische Strickmaschine“ noch als Hort nationaler Ausstellungsgesinnung. Das DHM sei vielmehr „ein Provisorium, in dem nur ein Querschnitt der deutschen Geschichte dargestellt werden kann“, sagte der Direktor am Montag abend auf einer Podiumsdebatte im Abgeordnetenhaus zum Thema „DHM – reformbedürftig oder überflüssig?“.

Der Mangel an Ausstellungsfläche (derzeit 2.500 Quadratmeter im Zeughaus statt, wie einmal geplant, 16.000 im Rossi-Bau) setze dem Museum „enge Grenzen“, die es unmöglich machten, eine umfassende Dauerausstellung zu präsentieren. Erst ein Neubau nördlich des Zeughauses und der Umzug der Verwaltung in das rückwärtige Minolgebäude würden in den nächsten Jahren „Luft“ für andere Konzeptionen schaffen. Vom Programm, die deutsche Geschichte seit dem Frühmittelalter zu präsentieren, will Stölzl nicht abrücken. Damit solle der „europäische Charakter“ unserer Geschichte – und der des DHM – verdeutlicht werden.

Eine Reformbedürftigkeit des Hauses, für Stölzl ein Problem in Quadratmetern, sehen Christine Fischer-Defoy, Vorsitzende von „Aktives Museum Faschismus und Widerstand“, und Helmut Börsch- Supan, Kunsthistoriker und ehemaliger Direktor der Berliner Schlösser, sehr wohl in der inhaltlichen Präsentation und Konzeption. So bemängelte Börsch- Supan, daß das Museum die Widersprüchlichkeiten, Brüche und „Widerlichkeiten in der deutschen Geschichte“ nicht genügend thematisiere.

Die Zeit des Nationalsozialismus sei „einschmeichelnd“ gestaltet. Der Eingang mit dem Bronze- Bismarck mache aus dem Museum eine „Schaubude“, die einem „kritischen Sehen“ nicht förderlich sei. Börsch-Supan warf Stölzl eine „undurchsichtige“ Einkaufspolitik und eine ungenaue wissenschaftliche Arbeit vor. Die Hälfte der Bilder sei „falsch datiert“.

Für Fischer-Defoy müßte sich das DHM mehr mit „Fragen an die Geschichte“ befassen, statt „Identität zu stiften“. Der „Objektfetischismus“ des Museums verstelle zudem Geschichte, anstatt die Zusammenhänge zwischen Objekt, seiner Produktion und seiner Wirkung aufzuzeigen. Insbesondere die Darstellungen des Holocaust ließen wenig Raum für kritische Reflexion.

Geht es nach Stölzl, dann stimmt die Richtung. „Wir sind reformfähig.“ Objekt nach Objekt, Gipskopf nach Gipskopf, Uniformknopf nach Uniformknopf werden mit Sammelwut gekauft – zuletzt das Modell des Krematoriums II in Auschwitz-Birkenau. Auch die Didaktik will der Direktor weiter klein halten. Nur weniges dürfe auf den Tafeln zu sehen sein, das Objekt solle für sich sprechen.

„Es geht darum, ein Geschichtsmuseum als Kunstmuseum zu machen“, so sein Credo. Heißt das: Musealisierung von Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft? Rolf Lautenschläger

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