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Rigorose Rettungsprogramme

■ Konfusion bei „Libération:“ Direktor July versucht nun, die Belegschaft mit einem neuen Sanierungsplan zu überzeugen

Die Pariser Zeitung Libération steht kopf: Ihr Direktor will einen Großaktionär in das einst linksradikale Blatt holen und ein knappes Viertel der Belegschaft „abbauen“; der interessierte Kapitalist will den Journalisten aber ihre Unabhängigkeit lassen. Der Betriebsrat ist völlig gegen den Plan, auch der Aufsichtsrat, die Vertretung der Mitarbeiter-Aktionäre, ist uneinig – und über allem schwebt das Damoklesschwert der Zahlungsunfähigkeit Ende Januar.

Vor knapp drei Wochen hatte Serge July, ewiger Direktor und einstiger Gründer von Libé, einen Sanierungsplan vorgelegt (s. taz vom 4. 12. 1995), der die Belegschaft in Schock versetzte. Am 5. Dezember erschien das Blatt wegen eines Warnstreiks nicht; in der darauffolgenden Woche protestierten die Journalisten, indem sie ihre Artikel nicht namentlich zeichneten. Schließlich legte July einen „Kompromiß“ vor, wonach der Sanierungsplan auf zwei Jahre gestreckt werden soll und „nur“ 85 statt wie geplant 95 der insgesamt 390 Arbeitsplätze gestrichen werden sollen. Der Libé-Belegschaft bietet er einen „Unabhängigkeitspakt“ an, wonach sie künftig noch drei Vertreter im Aufsichtsrat haben soll, die dann zwar nicht mehr über eine Sperrminorität als größte Aktionäre verfügen, aber ein Vetorecht bei Aktienverkäufen und bei der Einstellung des Direktors behalten.

Das Problem sind neben den Entlassungen, die per Sozialplan abgefedert werden sollen, die Statuten, die bislang die Unabhängigkeit des Unternehmens garantieren. Fremdaktionäre dürfen danach nur 20 Prozent der Aktien an der Zeitung erwerben, deren größter Einzelaktionär mit 45,2 Prozent gegenwärtig die Mitarbeiter sind. Das Mischunternehmen „Chargeurs“ (Textilien, Unterhaltung) hält schon jetzt 12 Prozent der Libé-Aktien. Anfang dieses Jahres unterstützte es das bereits in der Krise befindliche Unternehmen zusätzlich mit einem Kredit über 75 Millionen Franc (ca. 22 Millionen Mark). Wird dieses Geld bis 1997 nicht zurückgezahlt, verwandelt es sich automatisch in Aktienkapital. Damit hätte „Chargeurs“ mehr als 30 Prozent. Zusammen mit den 70 Millionen Franc (ca. 20 Millionen Mark), mit denen „Chargeurs“ nach Julys Wunsch jetzt bei Libération einsteigen soll, hielte das Unternehmen dann 51 Prozent des Kapitals und die Kontrolle über die Zeitung.

Bis Ende Januar soll weiterverhandelt werden. Aber ein anderer Kapitalgeber als „Chargeurs“ ist nicht in Sicht, und das Unternehmen hat signalisiert, daß es nur einsteigt, wenn die Libé-Belegschaft den Plan unterstützt. Die hält indessen die Sanierungspläne für zu rigoros, hat aber keine Alternative in petto. Dorothea Hahn, Paris

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