: Nur teilweise berechtigte Kritik
■ betr.: „Rote Karte für die Verwal tungsreform“, taz vom 8. 12. 95
Wenn sich Juristen einer politischen Aufgabe bemächtigen, wird es meistens fatal. Wenn die taz die Bedenken der Rechtsamtsleiter ohne genügende Gegenrecherche verbreitet, ist das ärgerlich.
Die Bedenken der Rechtsamtsleiter und Verwaltungsjuristen sind keineswegs eine „Rote Karte für die Verwaltungsreform“, sondern nur die teilweise berechtigten Kritikpunkte an den betriebswirtschaftlichen Höhenflügen der Beratungsfirmen, die die Berliner Verwaltungsreform fördern sollten, sie aber immer mehr gegen die Wand fahren.
Diejenigen, die die Verwaltungsreform in Berlin tatsächlich machen, und die meisten Experten wissen und sagen, daß die öffentlichen Einrichtungen nicht mit einem Betrieb gleichzusetzen sind und betriebswirtschaftliche Mittel nicht die politische Steuerung ersetzen werden und können.
Soweit die Kritik der Amtsjuristen die Verwaltungsreform insgesamt in Frage stellt, schütten sie das Kind mit dem Bade aus.
Die Gefahren für die Verwaltungsreform liegen nicht dort, wo die Rechtsamtsleiter sie vermuten. Sie liegen zum einen in dem hybriden Anspruch der Beratungsfirmen, in einem systematischen Akt der betriebswirtschaftlichen Durchdringung die Bezirksämter innerhalb von zwei Jahren umkrempeln zu wollen, anstatt auch ohne neue betriebswirtschaftliche Steuerungsinstrumente eigenverantwortliches Handeln in allen Bereichen zu fördern.
Die zweite Gefahrenquelle liegt in der großen Ungleichzeitigkeit zwischen der Entwicklung in den Bezirken und den Senatsverwaltungen. Während die Bezirke zu immer weiteren Schritten der Reform veranlaßt werden, üben sich die Hauptverwaltungen in Zurückhaltung und verteidigen ihre Pfründen.
Während bei den Bezirken möglichst viele Arbeiten als „Produkte“ neu berechnet und „budgetiert“ werden sollen, wollen die Hauptverwaltungen diese betriebswirtschaftliche Durchleuchtung ihrer Behörden vermeiden und sich die jetzigen Zumessungen als „Pauschalen“ sichern...
Diese Liste wäre erheblich zu verlängern. Die taz sollte über die tatsächlichen Probleme der Berliner Verwaltungsreform mehr berichten als über die teilweise überzogenen Bedenken der Amtsjuristen. Dirk Jordan, Bezirksstadtrat
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