■ Banken kassieren Berlin ein
: 1998 täglich 10 Millionen Mark für Zinsen

Das Land Berlin wird im kommenden Jahr bei über 100 Banken mit 51,1 Milliarden Mark in der Kreide stehen. Von diesen Schulden wird faktisch nie ein Pfennig zurückgezahlt werden. Zwar tilgt das Land 1995 219 Millionen und 1996 217 Millionen Mark, doch diese Rückzahlungen werden allein mit neuen Krediten finanziert. Die Zinsen für die 51 Milliarden Mark kosten Berlin gut drei Milliarden Mark.

Wenn Politiker von der „Konsolidierung“ des Haushalts sprechen, meinen sie nicht, den Schuldenberg abzubauen, sondern lediglich, ihn zukünftig nicht mehr so schnell wachsen zu lassen wie in der Vergangenheit. Abteilungsleiter Dieter Söllner geht sogar davon aus, „daß die Schulden nie abgebaut werden“.

In diesem Jahr ist der Schuldenberg um 6,75 Milliarden Mark gewachsen, 1996 kommen 6,1 Milliarden hinzu, dann gut 5,5 Milliarden und 1998 4,8 Milliarden. Der Schuldenberg erreicht in drei Jahren folglich die 60-Milliarden-Mark-Grenze, täglich wird Berlin dann mehr als 10 Millionen Mark Zinsen zahlen müssen – auch sonn- und feiertags.

Der Schuldenberg droht allerdings schneller anzuwachsen, als es die Große Koalition geplant hat. Denn Senat und Parlament haben zu optimistisch gerechnet, und so gibt das Land mehr Geld aus, als es mit Steuern, Gebühren, dem Länderfinanzausgleich und den Krediten einnimmt – und zwar sechs Milliarden Mark im Jahr zuwenig. Gelingt es der künftigen Landesregierung nicht, die geplanten Ausgaben ab kommendem Jahr um diesen Betrag zu reduzieren, muß das Land noch mehr Kredite aufnehmen.

Den dicken Reibach machen schon jetzt die Banken – risikolos, denn ein Bundesland kann faktisch nicht pleite gehen. Nur bei jeder 30sten Bank handelt es sich um ein ausländisches Unternehmen, das eine Niederlassung in der Bundesrepublik haben muß. Insider behaupten, daß die Berliner Banken überdurchschnittlich hohe Zinsen verlangen und deren Kreditangebote kaum in Anspruch genommen werden.

Die Zinsbelastungen werden zu einem immer schwerer zu lösenden Problem. Wenn 1998 die Zinszahlungen auf annähernd vier Milliarden Mark klettern, haben sie bereits einen Anteil von einem Zehntel an den Gesamtausgaben des Landes erreicht. Vor einem Jahr betrug ihr Anteil noch ein Zwanzigstel. Ein Bundesland aber, daß ein Zehntel seiner Ausgaben für Zinsen ausgibt, gilt politisch fast als pleite – es hat kaum noch finanzielle Entscheidungsspielräume. Neue Kredite müßten unsinnigerweise allein deshalb aufgenommen werden, um die fälligen Zinsen zu zahlen.

Wenn Bundesländer die Finanzkrise nicht selbst verschuldet haben, haben sie gute Aussichten, Sonderzuschüsse des Bundes zu erhalten. Bremen und Saarland bekommen so seit 1992 fünf Jahre lang jeweils 1,8 und 1,6 Milliarden Mark zusätzlich. Auch Berlin hätte Chancen, Zuschüsse gerichtlich durchzusetzen. Nach der Wiedervereinigung strich die Bundesregierung der Stadt nämlich Subventionen in Höhe von 22 Milliarden Mark. Dirk Wildt