Unterm Strich

In der amerikanischen Hauptstadt Washington scheint die Angst der Ausstellungsmacher vor politischer oder wissenschaftlicher Kritik umzugehen. Die Fälle von Ausstellungsabsagen oder auch von Selbstzensur unter Druck von außen haben spürbar zugenommen und ein Klima erzeugt, in dem eine nirgends mehr aneckende Ausstellungspolitik gedeiht. Jüngstes Beispiel in der Vorweihnachtswoche: der überstürzte Abbau einer Wanderschau zum Leben der Sklaven in den Plantagen der Südstaaten – die renommierte Library of Congress beugte sich den Bedenken schwarzer Angestellter. Nach dem Skandal um den Smithsonian-Museumsverband und dessen Schau zum Jahrestag des Atombombenabwurfs auf Hiroshima macht die Library of Congress in Washington innerhalb weniger Wochen bereits zum zweiten Mal mit einer Absage Schlagzeilen. Anfang Dezember hatte die weltweit größte Bibliothek eine Präsentation zu Ehren von Sigmund Freud um mindestens ein Jahr verschoben, nachdem Psychologen, Historiker und Autoren dagegen Sturm gelaufen waren. Sie sehen Freud nicht als genialen Erforscher der Seele an, sondern als „Mann fragwürdiger Theorien und Praktiken“. Nach monatelangem Tauziehen war die „Enola Gay“-Ausstellung 1995 zum Jahrestag von Hiroshima gekippt und durch eine belanglose technische Darstellung ersetzt worden. Der zuständige Direktor des Nationalen Luft- und Raumfahrtmuseums mußte zurücktreten. Republikaner und Kriegsveteranen hatten Front gegen das ihrer Meinung nach zu japanfreundliche Konzept gemacht. Der neue Direktor von Smithsonian, Michael Heyman, kehrt seitdem mit eisernem Besen. Den Kuratoren der insgesamt 16 Smithsonian-Musseen schickte er strikte Richtlinien, um künftig Kontroversen zu vermeiden. Während also Ausstellungmacher an die Leine gelegt werden, nahm der Smithsonian-Chef in diesem Jahr auch andere Angelegenheiten selbst in die Hand: Auf Eis legte er eine im National Air and Space Museum vorgesehene Schau zu dem heiklen Thema des US-Engagements in Vietnam. Heyman wies das National Museum of American History an, seine Sonderausstellung „Wissenschaft im amerikanischen Alltag“ positiver zu gestalten, die Chemie beispielsweise als Erfolgsstory zu präsentieren. „In der Library of Congress herrscht jetzt eine Atmosphäre der Angst“, klagte anonym ein hoher Angestellter der Bibliothek gegenüber der Washington Post, nachdem die Schau über die Sklaven kurz vor der Eröffnung abgebaut werden mußte. „Bei der Freud-Ausstellung war es die Angst, daß die religiöse Rechte im Kongreß Zuschußkürzungen erzwingt. Diesmal war es die Angst vor etwa einem Dutzend schwarzer Mitarbeiter. All das ist wirklich erschreckend.“ Mal ist die Furcht vor den Republikanern ausschlaggebend, mal der Druck, auch „politisch korrekt“ zu sein.