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■ Erschütternde Szenen einer repräsentativen EheDer Bundespräsident, unbehaust

Ungewohnt offenherzig zog Roman Herzog in der Weihnachtsansprache über seine ehelichen Gepflogenheiten her. Man solle andere Menschen nicht leichtfertig als „Betrüger“ oder „Mörder“ beschimpfen, wie es „uns allen“ zum Beispiel „bei Ehestreitigkeiten“ immer wieder unterlaufe, sagte der Bundespräsident. Im übrigen, fügte er hinzu, und das dürfte vor allem die Obdachlosen beeindruckt haben, seien „wir doch alle unbehaust in den Veränderungen, die neue politische und gesellschaftliche Probleme, neue technische Entwicklungen, Globalisierungsvorgänge und anderes mehr mit sich bringen“.

Ein wahres Wort. Oder ist hier etwa jemand „behaust“ in den laufenden Globalisierungsvorgängen? Geht das überhaupt? Muß man dafür monatlich Miete zahlen? Was kostet der Quadratmeter? Gibt es Kündigungsschutz, und welche Fristen sind zu beachten? Sind Häuser aus Globalisierungsvorgängen spitzgiebelig oder Bungalows? Und wären Häuser aus Liebe nicht komfortabler?

„Ich baue uns ein neues Haus aus lauter Liebe auf“, sang einst Peter Alexander, und auch Reinhard Mey griff den Topos auf: „Manchmal wünscht' ich, unsere Liebe wär' ein Haus, und du könntest darin wohnen ...“ Schön und gut. Aber die Unbehaustheit des Bundespräsidenten, den seine Frau, wenn er sich mit ihr zankt, der Kapitalverbrechen bezichtigt, sollte uns, bei aller Liebe, zu denken geben. Wenn selbst das Staatsoberhaupt seine Ehestreitigkeiten nicht mehr in den eigenen 40 Wänden austrägt, sondern unter Brückenbögen, ist etwas faul im Staate der D-Mark. Villa Hammerschmidt und Schloß Bellevue sind beide schon maisons perdues. Roman Herzog wohnt nicht einmal mehr in einem Haus aus lauter Liebe, und seit Weihnachten ist er sogar in den Globalisierungsvorgängen unbehaust. Was sagt er selbst dazu?

In Bonn am Rhein treffe ich den Bundespräsidenten am zweiten Weihnachtsfeiertag unter der Korad-Adenauer-Brücke. Er hat sich mit Wellblechfetzen zugedeckt, verputzt Lambrusco und besudelt sich dabei. „Ich baue uns ein neues Haus aus lauter Liebe auf“, grölt das unbehauste Staatsoberhaupt. Vor Schreck geht ein Schiff unter, und Roman Herzog brüllt: „Versenkt!“ Aber da biegt schon die First Lady um die Ecke, schwenkt ein zum Nudelholz gerolltes Stück Pappe und schüttelt sich vor Wut. „Du Betrüger!“ zetert sie. „Du Mörder!“ Der Bundespräsident sucht das Weite und schreit um Hilfe. Seine Gattin eilt ihm keifend nach.

Würden Sie diesem Pärchen eine Gebrauchtwohnung untervermieten? Gerhard Henschel

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