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"Nicht sinnvoll für neue Jobs"

■ Bringt es mehr Beschäftigung, wenn künftig Überstunden nur noch abgefeiert werden? Rudolf Geer von Gesamtmetall zum Gewerkschaftsvorschlag: "Eine Schnapsidee!"

IG-Metall-Chef Klaus Zwickel hat vorgeschlagen, Überstunden nur noch in Freizeit auszugleichen und lediglich die Zuschläge auszuzahlen. Dadurch sollen neue Arbeitsplätze geschaffen werden. Die taz befragte dazu den stellvertretenden Hauptgeschäftsführer von Gesamtmetall, Rudolf Geer.

taz: Was halten Sie von der Idee, Überstunden abfeiern zu lassen und für die freiwerdenden Kapazitäten neue Leute einzustellen?

Rudolf Geer: Der Vorschlag ist nicht ganz neu, und er ist beschäftigungsfeindlich, weil er praktisch ein Überstundenverbot beinhaltet. Das heißt, die Arbeitszeit, die heute 35 Stunden plus Überstunden ist, wird in Zukunft nur noch 35 Stunden bedeuten plus die Überstundenbezahlung. Das halten wir nicht für besonders sinnvoll für mehr Beschäftigung.

Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) hat immerhin ein Volumen von Hunderttausenden von zusätzlichen Jobs errechnet, falls es zu einer solchen Verabredung käme.

Das halte ich für eine Milchmädchenrechnung. Wir wollen mal folgendes Problem sehen: Viele Betriebe müssen in einer überraschenden Situation, sei es, daß es kurzfristig einen Auftrag gibt oder daß eine Maschine kaputtgeht, Überstunden machen. Diese Betriebe müßten dann später auf Aufträge verzichten, nur um den Freizeitausgleich durchführen zu können. Das halten wir für sehr wettbewerbsschädlich.

Dann könnte man für die freien Kapazitäten theoretisch doch neue Leute einstellen.

Wo denn, wann denn? Der Überstundenauftrag ist ja befristet. Da stell' ich doch niemanden ein! Und wenn jetzt meine Leute in Freizeit gehen, dann ist das ja auch nicht endlos, sondern befristet. Da stell' ich doch auch keinen ein! Warum soll ich denn Leute einstellen, wenn ich erkennen kann, daß beides, die Überbeschäftigung und die gewissermaßen erzwungene Freizeit, nur befristet ist? Wenn es unbefristet mehr Arbeit gäbe, dann würde der Arbeitgeber doch von vornherein selbstverständlich Leute einstellen und keine Überstunden fahren. Denn Überstundenarbeit ist immer noch teurer als normale Arbeitszeit.

Aber die Zahlen sind doch beeindruckend: 250 Millionen Überstunden im Metallbereich allein in diesem Jahr.

Man kann es auch anders sehen: Wir haben 1,6 Überstunden pro Produktionsarbeiter pro Woche. Wenn ich einen neuen Mann einstelle, muß der ja auch 35 Stunden pro Woche Arbeit haben. Da müßte ich an 21 Arbeitsplätzen gleiche Arbeit finden, damit der dann da die Spitzen abfangen kann. Das wäre logistisch und qualitativ gar nicht machbar. Daß man mit Überstundenabbau Beschäftigung schafft, vor allem in unserer Industrie mit 80 Prozent Klein- und Mittelbetrieben, das halte ich für eine Schnapsidee.

Welche Chancen gibt es überhaupt für ein Bündnis für Arbeit?

Herr Zwickel ist mit dem Thema Bündnis für Arbeit angetreten und hat immerhin das bemerkenswerte Eingeständnis gemacht, daß Lohnhöhe und Beschäftigung zusammenhängen. Wir haben am 8. Januar ein Spitzengespräch mit der IG Metall, und wir werden über ein Bündnis für Arbeit sprechen. Denn wir nehmen den Zwickelschen Gedanken auf, daß zwischen Beschäftigung und Kosten ein enger Zusammenhang besteht. Und zwar der, daß man über Kostenentlastung wettbewerbsfähiger werden kann.

Kostensenkung haben die Arbeitgeber schon immer gefordert. Wo aber wäre denn Ihr Beitrag?

Erlauben Sie mir, daß ich darüber nach dem 8. Januar besser sprechen kann. Wir stehen 1996 vor der Frage, wie wir den sich abzeichnenden Beschäftigungsabbau stoppen können. Dann kann man ab 1997 über vernünftige Aussichten zum Aufbau von Beschäftigung sprechen. Interview: Barbara Dribbusch

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