Durchs Dröhnland
: „Such mich, wo die Blumen stehn!“

■ Die besten und schlechtesten, die wichtigsten und überflüssigsten Konzerte der kommenden Woche

Mit dem unermüdlichen Bespielen auch noch der allerkleinsten Scheune in und um Berlin herum haben sich die Space Hobos, jenes Trio aus einem Frankfurter und zwei Berlinern, das vormals bei den Raymen die Tollen wippen ließ, einen unerschütterlichen Ruf als klasse Party-Kapelle erworben. Daß ihre Konzerte inzwischen ein wenig an die Auftritte eines Roberto Blanco auf Butterfahrten gemahnen, ließ sich wohl nicht vermeiden, schließlich haben sie selbst erkannt, daß sie „Erkennungsmelodien“ zum besten geben, die die Zuhörer noch aus der „Kinder- und Jugendzeit“ kennen.

Das Repertoire der reinen Instrumental-Kapelle ist zwar unerschöpflich, aber doch zeitlich stark eingeschränkt auf die goldenen fünfziger und sechziger Jahre: „Batman“ von Link Wray, „Rebel Rouser“ von Duane Eddy, mal was von den Ventures oder die Titelmelodie von „Raumpatrouille Orion“. Am modernsten noch ihre Version der „Lindenstraße“-Erkennungsmelodie. Ein Großteil ihrer Coverversionen sind Adaptionen von B-Picture- Soundtracks, die in der Sammlung des Bruders von Gitarrist Space aufgestöbert werden. Oder die Fans schicken gleich selbst Bänder mit Schätzen aus Vaters Kiste, die dann von den Space Hobos adaptiert werden.

Angeblich sollen die Space Hobos zehn Stunden Programm bestreiten können, ohne ein Stück zu wiederholen. Eigenkompositionen sind bei der Übungswut notgedrungen Mangelware, doch als echte Archäologen steht ihnen der Respekt vor den gefundenen Relikten natürlich gut zu Gesicht. Dabei nehmen sie sich, und das ist für deutsche Musikanten besonders löblich, nicht ausnehmend ernst: Per Anzeige verdingt man sich gern für jeden Anlaß. Die so gewonnene Erfahrung macht die Space Hobos zum sicheren Tip, was einen hitzig-stickigen Konzertabend betrifft.

Die gute Laune aus dem All wird vonnöten sein, weil zuvor Der Todtraurige Henning die Bühne betreten hat. Dieses ist das dritte einer Reihe von exemplarischen Side-Projekten der Berliner Grunge-Mutanten Iron-Henning. Zuerst karikierte man Pop als Electric Henning, dann Derbmetal in einer Inkarnation namens Death Henning. Die todtraurige Variante läßt das Liedermachertum in seiner übelsten Ausformung die Hand aus dem Grabe recken. Mit Songs wie „Such mich, wo die Blumen stehn“ oder „Für die Liebe doch zu mager“ lotet Henning die tiefsten Untiefen geschundener Seelen aus, und wer das glaubt, hat die Seligkeit nicht verdient.

Heute, 22.30 Uhr, Pfefferberg, Schönhauser Allee 176

Ich wußte gar nicht, daß unser aller liebster Peter immer noch Musik macht. Früher traf man ihn oft illegalerweise in der U-Bahn. Lange bevor Roma mit Quetschkommoden oder Chilenen mit Panflöten gesichtet wurden. Deshalb nannte er sich Peter Subway, aber verließ den Ort seiner musikalischen Reifung ganz schnell, als er nur noch einer unter vielen war. Eine Band hatte er zwischenzeitlich auch, der Name ist ihm geblieben. Und mir die Erinnerung an die beste Version von „Don't Let Me Be Misunderstood“ zwischen Eisenacher Straße und Mehringdamm.

Heute, 22 Uhr, Niagara, Gneisenaustraße 58

Damit ich nicht wieder einen bösen Leserbrief bekomme, in dem steht, was eh jeder weiß, nämlich daß ich ziemlich schlecht Fußball spiele, diesmal kein böses Wort über Bert'z Rache. Die einzige Motivation dieser von der eigenen Mission überzeugten Punk- Band ist es, dem verkanntesten und völlig zu Unrecht unbeliebtesten Dulder unserer Tage, dem Bert aus der Sesamstraße natürlich, ein Denkmal zu setzen. Daß Kinder Ernie immer toller finden, zeigt nur, wie grausam die Gören sein können.

Am 31. 12., 21.30 Uhr, Bergwerk, Bergstraße 68

Das Faszinierende am Franz ist ja die außerordentliche Beständigkeit, mit der der Club für sich wirbt: „Ein Jahr – 365 Konzerte“. Und da ein Abend im Franz irgendwie beruhigend auf so ziemlich die immer gleiche Art und Weise abläuft, kann man nur hoffen, daß das an Silvester auch so ist. Dann nämlich kann man dem Druck entgehen, sich unbedingt so amüsieren zu müssen wie das ganze vergangene Jahr nicht, und statt dessen einen 08/15-Ausklang erleben, der einem erst gar keine falschen Versprechungen für das kommende macht.

Nicht unpassenderweise kommen an diesem Tag Hard Travelin' zum Einsatz. Deren Gitarrenrock sucht Nähe zum Mainstream und wurde von gewissen amerikanischen Untergrund-Entwicklungen, die längst fest in den Charts verankert sind, nur am Rande gestreift. Ebenso unaufregend wie man den Jahreswechsel am günstigsten hinter sich bringt.

Am 31. 12., 22 Uhr, Franz, Schönhauser Allee 36-39

Religious Overdose rufen eine Zeit und Szene des US-Hardcore zurück, in der es gar nicht um ein Annähern an Metal und auch weniger um ein „Schneller, härter, lauter“ ging. Eine Zeit, in der sich die musikalischen Strukturen in alle Richtungen ausdifferenzierten und ein paar wenige sogar Neil Young wiederentdeckten.

Da kommen natürlich sofort Dinosaur Jr. in den Sinn, und wer das Trio aus dem schweizerischen Aarau hört, dem schießen die Namen unweigerlich nur so durch den Kopf. Da hört man den aus einer strengen New Yorker Coolness sich leise steigernden Songaufbau von Sonic Youth oder das Hin- und Herwabern über einem unglaublich groovigen Rockbeat wie von den Moving Targets. Man merkt, daß sich Religious Overdose nur an die Besten gehalten haben, und aus diesem wohlsortierten Katalog formen sie einen recht stringenten und vor allem unterhaltsamen Fluß.

Die Songs kreisen wie unsicher um ein Riff, schwellen auf und ab und suchen sich immer wieder neu einen Endpunkt, den zu erreichen dann doch nicht das Ziel ist. Musik wie ein Road-Movie: Und schließlich ist die Straße irgendwann zu Ende, der Film ist aus und der Song auch.

Am 4. 1., 22 Uhr, Duncker, Dunckerstraße 64 Thomas Winkler