: Ein Weglaufhaus als kleine Heimat
■ In Frohnau startet Wohnprojekt für Psychiatrie-Flüchtige. Anwohner klagen
Das bundesweit erste „Weglaufhaus“ für Menschen, die sich der Psychiatrie entziehen wollen, wird am 1. Januar in Frohnau eröffnet. In der Villa mit Garten können bis zu 13 BewohnerInnen aufgenommen werden. Sie werden rund um die Uhr von einem Team von Sozialarbeitern und Psychologen betreut. Gegründet hat das Projekt der Verein zum Schutz vor psychiatrischer Gewalt. Zu den Initiatoren gehören auch einige Gründungsmitglieder der Irrenoffensive.
Bereits vor mehr als sechs Jahre hatte ein anonymer Spender die Villa für eine Million gekauft. Unter Rot-Grün war das Projekt auf Betreiben der Alternativen Liste 1989 in der Koalitionsvereinbarung festgeschrieben worden. Bis zum Bruch des rot-grünen Regierungsbündnisses konnte es aber nicht mehr unter Dach und Fach gebracht werden. Bereits bewilligte Gelder der Senatsverwaltung für Gesundheit wurden gesperrt.
Jetzt soll der Aufenthalt der wohnungslosen BewohnerInnen über die Sozialhilfe finanziert werden. Der Tagessatz liegt bei 206 Mark pro Person. Dies sei jedoch wesentlich billiger als ein Aufenthalt in einer psychiatrischen Klinik, erklärte eine Mitarbeiterin des Weglaufhauses. Die Einrichtung des Hauses wurde mit Spenden der Aktion Sorgenkind und der Glücksspirale möglich.
Die Ängste etlicher Anwohner konnten allerdings auch nach mehreren Informationsveranstaltungen und einer Einladung in das Haus nicht ausgeräumt werden. Anfang Dezember reichten einige Anwohner eine Klage ein, weil sie die vermeintliche gewerbliche Nutzung des Hauses in einem Wohngebiet für unzulässig halten.
Dabei sollen in dem Haus keinesfalls Menschen aufgenommen werden, die wegen Straftaten in die Psychiatrie eingewiesen wurden. Auch Suchtmittelabhängige sollen nicht aufgenommen werden. Dennoch befürchten die Anwohner, daß von dem Haus Gewaltätigkeiten oder Lärmbelästigung ausgehen könnten.
Zu den Unterstützern der Initiative gehören der Präsident der Ärztekammer, Ellis Huber, und der Politologie-Professor Wolf- Dieter Narr. Im Vereinsbeirat sitzen die früheren AL-Gesundheitsstadträtinnen Sabine Nitz-Spatz, Eva Luber und Gisela Wirths.
Die zehn MitarbeiterInnen des Weglaufhauses wollen den künftigen Bewohnern helfen, ihr Leben wieder selbst in die Hand zu nehmen. Es gebe viele Gründe, aus der Psychiatrie wegzulaufen. Dazu gehörten Zwangseinweisung, Entmündigung und das Ruhigstellen mit Psychopharmaka. Die MitarbeiterInnen bieten daher auch Unterstützung beim Absetzen von Medikamenten an. Dorothee Winden
Weglaufhaus: Telefon 4063 2146
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