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Fingerzeig aus Holland

Amsterdam (taz) – Die Zahl der Verletzten durch Feuerwerkskörper zeigt es jedes Jahr wieder: Selbstverstümmelung ist rund um Silvester in den meisten Ländern Europas offenbar Volkssport. In den Niederlanden wird seit sieben Jahren mit einer ungewöhnlich drastischen Kampagne versucht, Jugendliche vor sich selbst zu schützen. Die „Stiftung für Ideelle Reklame“ (SIRE), die „Stiftung Verbraucher und Sicherheit“ sowie das „Büro Halt“ (Organisation zur Bekämpfung der Jugendkriminalität) schockieren mit Großpostern, Gratispostkarten, Zeitungsanzeigen und TV-Spots potentielle Opfer. „Je bent een rund, als je met vuurwurk stunt“ (in etwa: „Du bist ein Ochse, wenn du mit Feuerwerk herumspielst“) heißt der Slogan, und die Bilder sind deutlich. Opfer der Vorjahre halten ihre verstümmelten Hände, Arme und Beine in die Kamera. „Ban de bom“ heißt es kurz und knapp neben einer dreifingrigen Hand – die das V-Zeichen nur noch imitieren kann. In einer anderen Hand lassen sich zwar noch eine Intelligenz- und eine Karrierelinie lesen, mehr als drei Finger zeigt das Foto aber auch nicht.

Die Zielgruppe, so SIRE- Sprecher Cees den Hollander, sind Zehn- bis Zwanzigjährige. Unter die Zehn- bis Fünfzehnjährigen fallen traditionell die meisten Opfer, wobei die Hälfte von ihnen als unbeteiligte Zuschauer verletzt wird. Die Kracher-Warnungen laufen auch im Radio. Hier beginnt ein Spot mit den Worten „Nachrichten für Taube und Schlechthörende“. Außerdem gibt es eine CD „Krankenhaus“ sowie Beilagen in Jugendzeitschriften. An Schulen werden 800.000 Exemplare der „Feuerwerks-Zeitung“ gratis verteilt.

Die Zahl der Silvester-Opfer hat seit Mitte der Achtziger „explosionsartig“ zugenommen. Zwischen 1984 und 1987 waren es höchstens 300, 1990/91 aber dann schon 1.200. Der vorläufige Höhepunkt war 1992/93 mit 1.900 Opfern erreicht. Die nun von Jahr zu Jahr schärfer geführte Kampagne verzeichnet erste Erfolge: Die Opferzahl sank seit 1993/94 von etwa 1.800 auf zuletzt 1.100.

Große Sorge bereitet den Behörden nach wie vor die Nähe zu Belgien, wo das Gesetz viel stärkere Feuerwerkskörper erlaubt. In der in den Niederlanden gelegenen Enklave Baarle-Nassau haben sich heuer wieder die belgischen Drogisten besonders gut mit Feuerwerkskörpern bevorratet. Falk MadejaFoto: SIRE

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