Zensur im Cyberspace

■ Der US-Datenhändler CompuServe versperrt seinen Kunden den Zugang zu pornographischem Material

Berlin (taz) – Die Freiheit des Internet hat Grenzen, zumindest für die Kunden des Datendienstes CompuServe. Sie dürfen seit gestern keine Pornographie mehr lesen. CompuServe, einer der ältesten Online-Anbieter, hat auf seinen Rechnern über 200 sogenannte Newsgroups gelöscht, die sich mit allen möglichen Ab- und Unarten der Sexualität befassen.

Anlaß dieses Eingriffs in den Datenverkehr war nach Angaben der deutschen CompuServe-Tochter in Unterhaching bei München ein Beschluß des Landgerichts München. Danach besteht der Verdacht, daß Online-Dienste über das Internet pornographisches Material verbreiten, das entweder in Deutschland grundsätzlich verboten ist oder wenigstens nicht Minderjährigen zugänglich gemacht werden darf. Im November hatten die Staatsanwälte auch die CompuServe-Filiale durchsucht, die solche Internet-Angebote ihren Kunden bisher ebenfalls zur Verfügung gestellt hatte. Das Material wurde den Untersuchungsbeamten freiwillig ausgehändigt. Es handelt sich um die seit langem einschlägig bekannten Newsgroups, in denen Interessierte kostenlos nach pornographischen Angeboten fragen, aber auch pornographische Texte und Bilder auf ihren eigenen Rechner laden können.

Wer das weiterhin tun will, muß sich nun einen anderen Zugang zum Netz suchen. CompuServe weist in seiner Erklärung darauf hin, daß es nicht möglich sei, auf die Inhalte des Internet selbst Einfluß zu nehmen. Soweit treffe die Firma keine Schuld an der möglichen Verbreitung illegalen Materials. Die bayrische Staatsanwaltschaft habe ihr jedoch „anheimgestellt“, so die Erklärung weiter, von sich aus die „notwendigen Schritte“ zu unternehmen, um eine „eventuelle Strafbarkeit der Geschäftsleitung in Deutschland zu vermeiden“.

Ein Ratschlag, dem CompuServe gefolgt ist, obwohl dazu keinerlei rechtliche Verpflichtung besteht. Denn juristisch ist zur Zeit noch völlig ungeklärt, ob Unternehmen, die einen Zugang zum Internet anbieten, in irgendeiner Form für die dort verbreiteten Inhalte haftbar gemacht werden können. Auch CompuServe ist der Ansicht, die Behörden sollten „gezielt“ gegen Personen und Organisationen ermitteln, die illegale Pornographie herstellen und im Internet verbreiten. Dafür will die bundesdeutsche Niederlassung fachkundige Hilfe anbieten. Sie arbeite weiter daran, ließ sie gestern verlauten, „mit den „deutschen Behörden eine Problemlösung“ zu finden.

Auf dem Spiel steht der traditionell eher konservative Ruf des Unternehmens, das der US-amerikanischen Steuerberaterfirma „H & R Block“ gehört und in seinem eigenen Datennetz, vom Internet getrennt, etwa 2.000 verschiedene Dienste anbietet. Neben Computerinformationen, dem Spiegel, Börsennachrichten, Reise-, Freizeit- und Finanzberatungen werden Diskussionsforen angeboten, darunter auch eines, das sich mit „Human Sexuality“ beschäftigt. Der Eintritt wird allerdings mit einer langwierigen Erklärung erschwert, die zur Einhaltung gewisser moralischer Grundsätze verpflichtet. Auch muß das Alter angegeben werden.

Einen Zugang zum freien Internet bietet CompuServe erst seit kurzem an – in unmittelbarer Konkurrenz zum Weltmarktführer America Online und seinem deutschen Joint-venture mit dem Bertelsmann-Konzern. Bei CompuServe loggen sich in Deutschland zur Zeit etwa 220.000 Kunden ein. Niklaus Hablützel