piwik no script img

Jeder steht auf seine(r) eigene(n) Leitung

■ Um möglichst gut an der Börse starten zu können, puscht die Telekom die Bilanz nach vorne. Die Kleinen müssen zahlen, die Großen suchen sich bald andere Wege

Die Kleinen müssen zahlen, die Großen suchen sich demnächst andere Wege. An der Telekom und ihren Preiserhöhungen geht zumindest für den normalsterblichen Telefonkunden bei Ortsgesprächen in den nächsten zwei Jahren noch kein Weg vorbei. Mittlere und große Unternehmen dagegen basteln bereits eifrig an ihren eigenen Telefonnetzen oder wickeln ihre Kommunikation teilweise über Telefongesellschaften im Ausland ab.

Noch genießt die Telekom die Vorzüge des Monopols für alle öffentlichen Telefon- und Faxleitungen im Land. Spätestens bis zum 1.1. 1998 soll dieses Monopol ebenso fallen wie das Staatseigentum an dem Kommunikationsunternehmen: Ab Mitte 1996 soll die Telekom an die Börse – das größte Aktienpaket in der europäischen Geschichte. Je besser die Bilanz der Telekom (unter anderem durch satte Einnahmen aus den aktuellen Preissteigerungen) zum Stichtag ist, desto höher werden die Telekom-Aktien dann notiert. Und desto mehr Geld kassiert der Staat als bisheriger Eigentümer für die Privatisierung.

Bis zum Ende des Monopols müssen also alle Kunden entweder die Tarife der Telekom berappen oder von ihr Leitungen mieten. Eigene Dienste im Bereich der Kommunikation bieten inzwischen Hunderte von Firmen an: Laut Auskunft des Bundespostministeriums listet ein Amtsblatt vom Juli 1995 auf fast 100 Seiten die registrierten „Anbieter von Kommunikationsdienstleistungen“ auf. Die wenigsten allerdings bieten ihre Dienste nach außen an. Das tut zum Beispiel die „Tele Danmark A/S“, eine Tochter der dänischen Telekom. In Hamburg und Berlin bieten die Dänen ihren Kunden Telefon- und Faxdienste, die laut Eigenwerbung „etwa 10 Prozent günstiger sind als die Angebote der Telekom“. Zielgruppe sind mittlere und größere Unternehmen: „Interessant wird es für Sie, wenn Sie im Monat für weltweit mehr als 3.000 Mark telefonieren“, heißt es. Private bleiben allerdings außen vor: Ortsgespräche bietet die Tele Danmark nicht. Da sie die Leitungen von der Telekom mieten muß, rentiert sich das nicht.

Auch die Viag Interkom, eine Tochter des Stromgiganten Viag und der British Telecom, zielt nicht auf die Privatkunden. Nur für einen „geschlossenen Benutzerkreis“ von etwa 250 Unternehmen biete man Kommunikationsdienstleistungen, heißt es von der Firma. Daß sich mit der Viag ein Energieunternehmen in der Kommunikation engagiert, ist kein Zufall. Denn neben großen Gewinnen in den letzten Jahren verfügen die Stromkonzerne bereits über ein Leitungsnetz, mit dem sie die Telekom das Fürchten lehren wollen: Veba und RWE bereiten mit ihren Töchtern Vebacom bzw RWE- Telliance AG wie die Viag den Einstieg in die Kommunikationsbranche vor. Solange das Monopol für öffentliche Kommunikation noch gilt, konzentriert sich besonders die Viag Interkom darauf, einzelne Unternehmensstandorte weltweit zu verknüpfen. Auch die Thyssen AG hat eine Tochter namens Thyssen Telecom gegründet, ebenso wie die Deutsche Bahn die DBKOM. Die Deutsche Bank arbeitet im CNI Communication Network International mit den Mobilfunkern von Mannesmann zusammen. Das Unternehmen Siemens dagegen will sich heraushalten.

Ortsgespräche sollen nach der Tarifreform in Deutschland so teuer sein wie nirgendwo in der Welt, wurde gestern kritisiert. Schaut man sich die Gebührensätze im Ausland an, bestätigt sich dies nicht. So kostet ein dreiminütiges Ortsgespräch in Großbritannien ganze 53 Pfennig; auch die jährlichen Vergünstigungen für Vieltelefonierer und der Familientarif machen nicht viel aus. In Frankreich sind die Preise mit den deutschen vor der Reform vergleichbar, doch Erhöhungen sind auch hier geplant. bpo

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen