Die Lieblinge der Pfeffersäcke

■ Die ausländischen Spieler beim HSV: Von Peltonen bis Pralija, von Keagan bis Kindvall / Viele sind schon längst vergessen, andere werden noch heute fast kultisch verehrt Von Jan Feddersen

In Hamburg hat man nichts gegen Ausländer. Der Pfeffersack, wie der typische Hamburger Kaufmann auch in frecheren Kreisen genannt wird, mag den Erfolg – wie und durch wen er zustande kommt, ist ihm gleich. Ostentative Bekenntnisse zur Multikulturalität sind hingegen vom HSV nie zu hören gewesen. Es hat lange gebraucht, ehe der frühere Meister, der zu besseren Tagen inzwischen ein Verhältnis wie andere Leute zu liebgewonnenen Kindheitserinnerungen gewonnen hat, sich dazu aufraffen konnte, eine Präsidiumserklärung herauszugeben, die allerdings nicht über das typische Niveau von DFB-Verlautbarungen hinausging. Man habe nichts gegen schwarzhäutige Spieler, man sei auch nicht ausländerfeindlich.

Dezidierte Initiativen aber, die die eigenen Fans kritisieren, sie mögen bitte aufhören, beispielsweise Souleyman Sane von Wattenscheid 09 mit Schmährufen („Husch, husch – Nigger in den Busch“) zu bedenken, gab es bis heute nicht. Es blieb dem Tormann Richard Golz vorbehalten, sich von solchen HSV-Freunden zu distanzieren: „Es wäre mir lieber, wenn sie nicht ins Stadion kämen. Beifall von der falschen Seite ist doch niemandem recht.“ Der Rest der Spieler schweigt: Man bekommt sein Gehalt pünktlich am Monatsende überwiesen, der Rest ist pures Jobbewußtsein.

Dabei wären die kleineren und größeren Fußballwunder, die sich der HSV während der vergangenen drei Jahrzehnte auf seine Fahnen schreiben konnte, nicht ohne Beteiligung von Spielern aus dem Ausland möglich gewesen. Der Engländer Kevin Keagan war es vor allem, der die Blüte des HSV seit Ende der 70er Jahre erst möglich machte. Der erste, den es länger als zwei Jahre beim HSV hielt, war Arkoc Özcan.

Fußballwunder mit Ausländern

Es war keine leichte Hypothek für den damals 28jährigen Mann aus Istanbul, torhüterisch das Erbe von Horst Schnoor anzutreten. Schnoor stand in der Meistermannschaft des Jahres 1960, als Uwe Seeler & Co. den 1. FC Köln mit 3:2 besiegten. Der geborene Hamburger mußte allerdings seine Laufbahn nach einer mißglückten Achillessehnenoperation beenden. Özcan war die erste Wahl. Er spielte bis dahin bei Austria Wien. Sieben Jahre blieb er beim HSV, galt nicht als besonders mutig, weder auf der Torlinie noch im Strafraum. Doch er war fangsicher. 159 Spiele bestritt er für die Rothosen. Nur einmal sorgte sprachliche Verwirrung für ein sportliches Debakel. Das war beim 1:8 gegen Oberhausen – die Mär besagt, daß Özcan nach dem zweiten Gegentor auf seine Abwehr nur noch in Türkisch eingeschimpft haben soll. Sie will ihn also nicht verstanden haben: So läßt sich auch begründen, weshalb man derart schlimm verloren hat.

Rassismus hat Özcan nicht erlebt. Er blieb bis heute der türkische Spieler mit den meisten Spielein-sätzen für einen deutschen Verein. Nach seiner aktiven Laufbahn – statt seiner wurde der junge Rudi Kargus ins Tor gestellt – arbeitet er als Trainer bei den HSV-Amateuren. Doch ein zehnter Tabellenrang reichte den HSV-Gewaltigen nicht. Özcan mußte gehen. Schmährufe mußte er nicht erleben: „Warum? Ich sehe ja nicht aus wie ein Türke“, sagte er später.

Seine türkischen Landsleute, die während seiner Keeper-Ära ins Volksparkstadion pilgerten, blieben nach seiner Demission aus: Der HSV hatte sie als Marktsegment nicht entdeckt. Anders hingegen dachte der Verein in Hinblick auf skandinavische Spieler. Dänen sind beim HSV schon deshalb sehr gerne gesehen, weil sich mit ihnen mehr Zuschauer pro Heimspiel erzielen lassen. Das dänische Königreich liegt schließlich nur 150 Kilometer von Hamburg entfernt.

Juhani Peltonen war Mitte der 60er der erste Spieler aus dem hohen Norden, der beim HSV zu reüssieren versuchte. Der Finne bestritt 38 Spiele. Ole Björnmose, von 1971 bis 1977 beim HSV, wurde von Werder Bremens Ersatzbank eingekauft. In 186 Spielen machte er 31 Tore. Der Rechtsaußen im Mittelfeld zeichnete sich durch seine Kampfkraft und Schnelligkeit aus. Seine größte Tat, erinnern sich HSV-Fans, war die Flanke auf Peter Nogly im DFB-Pokalendspiel am 26. Juni 1976 in Frankfurt, mit der Eiche das 1:0 gegen Kaiserslautern schießen konnte. 1977 kehrte der Däne aus familiären Gründen in seine Heimat zurück. In Fredericia arbeitet er heute als Elektriker: „Ich bin wirklich sehr zufrieden.“ Und: „Fußball spielt keine Rolle mehr für mich.“

Ebenso ein Volltreffer war Lars Bastrup, von 1981 bis 1983 beim HSV. Stets torgefährlich, traf er in 59 Spielen 18 Mal ins gegnerische Gehäuse – er war auch beim Meisterpokalsieg 1983 mit von der Partie. Die Dänen Alan Hansen (1982 bis 1984) und Stig Töfting (1993 bis 1995) waren einkaufspolitisch gesehen pure Flops, ebenso die Norweger Eric Soler (1984 bis 1986) und Jörn Andersen (1994 bis 1995): wenig Einsätze, wenig Tore, wenig Erinnerung bei den Fans.

Nur John Jensen, von 1988 für zwei Jahre beim HSV, blieb im Gedächtnis: In 47 Spielen erzielte er zwar kein Tor, erwarb sich jedoch wegen seiner ausgeprägten Neigung zum Bier den Spitznamen Faxe, kickte aber stets unter seinem Niveau, das er 1992 im EM-Endspiel in der Nationalmannschaft Dänemarks unter Beweis stellte: Er schoß das erste Tor gegen die DFB-Auswahl. Jensen avancierte später bei Arsenal London zum gefürchteten Torjäger. Der Schwede Niklas Kindvall wurde im Winter 1994 vom IFK Norrköping in einer Nacht-und-Nebel-Aktion eingekauft. Man verließ sich auf Video-bänder. Der 28jährige konnte nie integriert werden und wurde Ende 1995 an Malmö FF abgetreten.

Ausländer haben, wie gesagt, beim HSV nie Probleme, wenn sie weißer Hautfarbe sind. Buffy Ettmayer, der Österreicher, von 1975 bis 1977 beim HSV, war beliebt: Man mochte seine wurschtige Art, seinen Charakter, der auf das Gegenteil von Blasiertheit Kaltzscher Prägung wies: „Ausländer? Hob mi nie so gfühlt“, sagt er.

Jan Furtok, der in sechs Spielzeiten 135 Bundesligaeinsätze verbuchen konnte und dabei 51 Tore erzielte, ist Pole. Sprüche gegen ihn gab es von den Rängen nie. Ebensowenig gegen den Litauer Valdas Ivanauskas, der sogar besonders beliebt ist in der Westkurve. Kultiviert er doch sowohl durch seinen skinheadmäßigen Haarschnitt, was er auch im Fußball zu servieren bereit ist: die harte Gangart. Daß seine Ruppigkeit in 68 Partien zu nur neun Treffern, dafür aber oft zu Platzverweisen führte, stört nur den Trainer, nie aber die Medien. Ivan gibt den Kumpel ab, das mögen die Schreiberlinge, das lieben die Fans.

Die Allüren des Yordan L.

Die Bulgaren Pavel Dotschew, Petr Houbtschew und Yordan Letschkow kamen zum HSV, als der schon längst keine Legende mehr war. Letschkow, Star im bulgarischen WM-Team 1994, zelebrierte seine frisch erworbenen Ruhmesblätter zu Allüren, so daß sein damaliger Trainer Möhlmann ihn wegen Mannschaftsuntauglichkeit auf die Tribüne setzte. Unter dem neuen Coach Magath darf Letsche zwar wieder regelmäßig mittun – die Leistung stimmt aber nur selten.

Dem Gros der anderen Spieler ohne deutschen Reisepaß blieb der Rang von Fußnoten: Ob die Süd-amerikaner Nando, Pacheco Buca (beide Brasilien) oder Sergio Zarate (Argentinien), die Jugoslawen Borisa Djordjevic und Mladen Pralija oder Andreas Maté aus Ungarn – ein Heer von Sternschnuppen.

Auf die Bewährungsprobe wird das Hamburger Publikum meist nur gesetzt, wenn Mannschaften zu Gast sind, die erfolgreiche schwarze Spieler mitbringen. Wattenscheid 09 war so ein Fall: Souleyman Sane wurde im Volksparkstadion immer mit Schmäh bedacht. Und stets schoß er darauf ein Tor für seine Mannschaft, die danach immer siegreich nach Hause fuhr.

Jimmy Hartwig, selbst Deutscher, aber mit schwarzer Hautfarbe gesegnet, bekam die Verachtung der Fans immer eher zu spüren als all die Ettmayers und Björnmoses vor ihm: „Wer eine dunkle Haut hat, hat es nicht leicht. Ich habe immer versucht, damit cool umzugehen. Man muß aber mehr tun, mehr Leistung bringen.“ Wer den Spieler kennt, der sein Herz stets auf der Zunge trägt, weiß, daß seine Aussage nur der halben Wahrheit entspricht. „In Hamburg zu spielen“, hat Souleyman Sane einmal gesagt, „gehört für dunkelhäutige Spieler zum Härtesten, was es in der Bundesliga gibt.“

Das HSV-Präsidium hat bis heute keine eindeutige Stellungnahme unterzeichnet. Es blieb bei windelweichen Versicherungen, daß man fair bleiben solle. Warum wurden Worte wie „Nigger zurück in den Busch“ als unfair gesehen – und nicht als Grund, Stadionverbote zu verhängen?

Gekürzter Vorabdruck aus: Holger Jenrich (Hg.), „Radi, Buffy und ein Sputnik. Ausländer in der Fußball-Bundesliga 1963 – 1995“, Klartext-Verlag, Essen 1995, 196 Seiten, 34 Mark