: Baubehörde fühlt sich verschaukelt
■ Staatssekretär Bielka und Bausenator Nagel klagen, Victoria-Versicherung habe sich beim Verkauf am Kranzler-Eck nicht an Verabredung für Arbeitsplätze gehalten. Victoria bestreitet Arbeitsplatzgarantien
Beim Millionen-Deal am Kranzler-Eck hat sich der Senat über den Tisch ziehen lassen – und schmollt nun. Zwei Wochen nach dem Verkauf des Victoria-Areals an die Deutsche Immobilien Fonds AG (difa) sprach gestern Baustaatssekretär Frank Bielka von einem „schweren Vertrauensbruch“ seitens der Versicherungsgesellschaft. Die Victoria, so Bielka, habe versprochen am Kranzler- Eck mit einem Neubau „Tausende Arbeitsplätze“ zu schaffen. Aufgrund dieser Aussagen sei der Bebauungsplan für das Büro- und Geschäftshaus überhaupt erst bewilligt worden.
Der Verkauf und der Verzicht auf die Victoria-Zentrale sei ärgerlich. Es sei „klar gewesen“, daß die Versicherung ihre Aktivitäten ans Kranzler-Eck verlegen wolle. Bielka kündigte eine juristische Überprüfung des Bauvorhabens an. Die Victoria-Versicherung als frühere Eigentümerin des Grundstücks am Café Kranzler hatte einen Entwurf des US-Architekten Helmut Jahn für ein Hochhaus mit Ladenpassage vorangetrieben. Die Difa investiert für das Grundstück gemeinsam mit dem für das „Casino“ an der Leipziger Straße 880 Millionen Mark.
Auch nach Ansicht von Bausenator Wolfgang Nagel (SPD) hat sich die Victoria nicht an Verabredungen gehalten. Noch im September 1995 habe diese angedeutet, „ihre regionale Dependance in Berlin zu errichten“. Der Verkauf sei „überraschend zustande gekommen“. Trotzdem könne er aber damit leben, wenn dort ein anderer Investor den „exzellenten Entwurf“ baue.
Mit „Unverständnis“ reagierte Wilhelm Hopp, Vorstandsmitglied der Victoria, auf Bielkas Vorwürfe gegen den Konzern. Hopp erklärte, die Victoria habe „das Objekt am Kurfürstendamm immer als Investitionsobjekt und Kapitalanlage verstanden“. Außerdem ziehe sich die Versicherung nicht vom Standort zurück, sondern wolle dort Büros mieten. Die Baugenehmigung sei nicht in Verbindung mit Arbeitsplatzgarantien erteilt worden.
Bielkas Amoklauf gegen die Victoria verstehen auch die Grünen im Abgeordnetenhaus nicht, liege das Versäumnis doch in der Unzulänglichkeit der Bauverwaltung. Die Planungen des Senats seien in erster Linie unter dem Gesichtspunkt „Aufwertung des Zoo- Umfeldes“ gesehen worden. 1995 war die Planung von Nagel gegen die Interessen des Bezirks Charlottenburg durchgezogen worden. „Schuld an dem Desaster ist nicht zuletzt der Bausenator“, kommentierte gestern die bündnisgrüne Abgeordnete Rita Keil den Vorgang. Dieser habe noch kurz vor der Landtagswahl den Bebauungsplan mit dem Arbeitsplatzargument genehmigt. Keil: Der Senat hätte aber wissen müssen, daß die Victoria „nie die Absicht hatte“, am Ku'dam selbst zu bauen. Die Versicherung hätte in den letzten Jahren in Potsdam und Leipzig kräftig investiert. Die Bauinteressen des Senats habe die Victoria zu ihren Gunsten ausgenützt. Rolf Lautenschläger
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen