: Ein kurzes Eisvergnügen
■ Außenalster wurde nach Rißbildung gesperrt / Händler blieben auf Glühwein und Bratwurst sitzen / Krankenhäuser überfüllt Von Marco Carini
Ein kurzes Vergnügen. Kaum hatte die große Sause auf der Außenalster begonnen, da war sie auch schon wieder zu Ende. Denn obwohl mit durchschnittlich 15 Zentimetern angeblich dick genug, gab sich die Alster-Eisdecke betont spröde. Am Samstag nachmittag zeigte sie zunächst mehrere Risse im Bereich des Fähranlegers Alte Rabenstraße. Ein verzweifelter Erbsensuppen-Verkäufer wurde erst von der hungrigen Warteschlange getrennt und bekam dann auch noch nasse Füße. Doch was sich zuerst als individuelles Problem darstellte, führte schließlich zum Abbruch aller Eis-Festivitäten.
Ab 16 Uhr flog ein Polizeihubschrauber über die Alster, um die eisvergnügte Menge dazu zu bewegen, die brüchige Eisfläche sofort zu verlassen. Da das Motorengeräusch des Helikopters die Ansage aber deutlich übertönte, bewegte sich erst mal gar nichts. Auch mehrere Peterwagen, die vom Ufer aus ihre Comeback-Botschaften aussandten, konnten nur vereinzelte PassantInnen motivieren, die Eisfläche zu räumen. So blieb Umweltbehörde und Polizei nur eins: die Fortsetzung des Alstereis-Vergnügen für Sonntag zu untersagen.
Aufs Glatteis geführt fühlte sich dadurch der Troß der aus der ganzen Republik angereisten FreizeithändlerInnen, die sich mit Unmengen von Glühwein und Bratwürsten eingedeckt hatten. „Was soll ich jetzt bloß mit 2500 Litern Glühwein machen“, gab sich ein 57jähriger Hamburger nach dem vorgezogenen Eis-Finale ratlos. Einige Standbesitzer versuchten, ihre Speisen auch am Sonntag noch am Uferrand feilzubieten – und kassierten saftige Ordnungsstrafen, weil ihre Verkaufslizenzen nur für die nun gesperrte Eisfläche galten. Pech auch für alle HamburgerInnen, die sich erst am Sonntag in die Massen schmeißen wollten. Nun müssen sie möglicherweise wieder ein paar Jährchen auf die nächste Gelegenheit warten.
Rund 150.000 Zweibeiner und zahlreiche Hunde hatten jedoch am Samstag rechtzeitig die Möglichkeit genutzt, die Außenalster mal zu Fuß zu überqueren. Das kulinarische Angebot der 370 Standbesitzer kannte kaum Grenzen: Ob Mexikanischer Weihnachtspunsch mit Rohrzuckerschnaps, Chili con Carne oder Crepes, echte Feuerzangenbowle, Pizza oder Backfisch – wer sich brav in die meterlangen Schlangen vor den Buden einordnete, konnte bei klirrender Kälte richtig „schlemmen“.
Doch nicht für alle EisläuferInnen endete der Spaziergang vergnüglich. Zahlreiche Kopfplatzwunden, Knochenbrüche und Prellungen zeugten davon, daß die Fortbewegung auf spiegelglattem Eis einiger Übung bedarf. Die Feuerwehr war „ständig im Einsatz“, die Rettungswagen des Roten Kreuzes transportierten 70 Menschen in die umliegenden Krankenhäuser. Allein in der Eppendorfer Uni-Klinik wurden insgesamt 90 PatientInnen mit Knochenbrüchen behandelt.
Als besonders schwierig erwies sich der Abtransport eines Mannes, den nach einem Sturz das Bewußtsein verlassen hatte: Er mußte in einem Schlauchboot auf Kufen an Land gezogen werden.
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