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Polizei entwendete Gartenhäuschen

■ Bremer Bürger empört: Polizei holte nachts Baumaterial ab / 20.000 Mark auf dem Müll

„Vorfeldaufklärung“, meldete die Bremer Polizei am 1. Januar stolz, habe dazu geführt, daß in der Nacht vor Silvester drei Kubikmeter (!) „Barrikaden-, Wurf- und Brennmaterial angehäuft in der Sophienstraße vorgefunden und abtransportiert wurden“. Die ganze Straße Vor dem Steintor hätte damit abgeriegelt werden können!

Nichts schrieb die Polizei allerdings über den mutmaßlichen Besitzer des gewalttätigen Materials. Ein Blick ins Grundbuch hätte ergeben, daß der kleine Parkplatz der Schlachterei Saft gehört, die schräg gegenüber ihren Laden hat. Sollte die Schlachterei...? Um an das gefährliche Material heranzukommen, mußte die Polizei das Schloß an der Kette knacken. Noch spät in der Nacht hatte die Polizei die Bremer Entsorgungs-Betriebe (BEB) alarmiert, die erst mit einem Pritschenwagen kamen, dann einen Container hinterherschicken ,ußten, um das ganze „Barrikaden-, Wurf- und Brennmaterial“ einkassieren zu können. Noch am Neujahrstag, so der Pressesprecher der BEB, wurden die Eisenteile „entsorgt“, das Holz liegt wohl noch bei der Müllabfuhr auf dem Betriebshof herum.

Wenn die Polizei den Schlachter Saft gefragt hätte, was es mit dem „Barrikaden-, Wurf- und Brennmaterial“ auf seinem Grundstück auf sich hat, dann hätte der Schlachter einen Tip geben können: es gehört einem Herrn Hagemann. Der staunte am Morgen des Silvestertages nicht schlecht, als sein ganzes Baumaterial weg war - „geklaut“ war der erste Gedanke. „Das war meins“, gesteht Hagemann: Ein Gartenhäuschen mit Butzenfenstern, zwei Rolltore, Wert insgesamt über 20.000 Mark. „Wir hatten das vorher in der Halle nebenan gelagert“, sagt Hagemann zur taz, „und weil da Silvester eine private Party steigen sollte, haben wir den Schlachter gefragt, ob wir es für zwei Tage auf den Parkplatz nebenan legen können.“ Bis 21 Uhr hatten Hagemann und Freunde geschuftet, um die schweren Teile aus der Feten-Halle – eine ca. 200 Meter große alte Werkhalle – herauszubekommen, dann waren sie ermattet nach Hause gegangen. Am nächsten Morgen war der Platz leer, das schloß an der Kette, das sie extra gekauft und angebracht hatten, fachgerecht geknackt. Er fragte bei Nachbarn, ob Diebe oder andere verdächtigen Personen in der Nacht beobachtet worden seien. Erst Hinweise führten ihn auf den abstrusen Gedanken, daß da deutsche Beamte am Werk gewesen sein müßten.

Die Silvester-Fete verlief friedlich und fröhlich ohne Zwischenfälle, am Morgen des 2. Januar versuchte der arme Hagemann dann herauszufinden, wer sein Gartenhäuschen geklaut hatte. Inzwischen sind einige Tage vergangen: „Ich habe mit mindestens 20 Leuten telefoniert, jeder verweist an eine andere Zuständigkeit“, hat Hagemann gelernt. Mehr nicht. Personen ein, die sich nicht für zuständig erklären, räumen bei der Polizei ein, Brandsatzmaterial sei beschlagnahmt worden. Eine genaue Auflistung dessen, was da beschlagnahmt wurde, hat Hagemann bis heute nicht. Nur eines erfuhr er: Von der Müllabfuhr geschreddert worden sein das Barrikadenmaterial, nicht von der Polizei in Verwahrung genommen.

„Ich will Ersatz haben“, empört sich Hagemann, und hofft, daß er irgendwann auch einmal erfährt, wer denn verantwortlich für die Beschlagnahme seines Baumaterials war und wer verantwortlich für die Folgen ist. Bei der Pressestelle der Polizei hatte man auch gestern nur die Erfolgsmeldung vom 1. Januar und keinerlei Hinweis auf tiefere Hintergründe der „Vorfeldaufklärung“. K.W.

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