: Geiselnehmer stecken an der Grenze fest
■ Tschetschenisches Kommando hat immer noch 160 Geiseln in seiner Gewalt
Moskau (taz) – Die tschetschenischen Freischärler, die am Dienstag ein Krankenhaus im dagestanischen Kisljar besetzt und über 2.000 Geiseln in ihre Gewalt gebracht hatten, saßen gestern an der Grenze zu Tschetschenien fest. Zurück blieben bei ihrer Fahrt in Richtung Heimat 7 getötete Mitarbeiter der Miliz und 13 Opfer aus der Zivilbevölkerung. Etwa 160 Geiseln, unter ihnen Vertreter der regionalen Regierung, nahmen sie in Omnibussen mit, den Rest entließen sie in die Freiheit. In der Nähe des Dorfes Perwomaiskaja – noch auf dagestanischem Territorium – hinderte eine gesprengte Brücke den Konvoi an der Weiterfahrt.
Offensichtlich spielten russische Spezialtruppen dort auf Zeitgewinn. Die Freischärler nahmen daraufhin erneut Geiseln aus der Bevölkerung und verlangten die Errichtung einer Notbrücke. Andernfalls drohten sie, die Geiseln zu erschießen. Am Nachmittag ließen sie 7 von ihnen frei. Über dem Ort des Geschehens sollen Armeehubschrauber kreisen und gelegentlich das Feuer eröffnen. Bisher ist unklar, wie die Entscheidung, Kisljar zu verlassen, zustandekam und welche Bedingungen ausgehandelt wurden. Nach Aussage Jelzins hätten die Rebellen zugesagt, ihre Geiseln an der Grenze freizulassen. Doch bis dahin kamen sie nicht.
Premierminister Tschernomyrdin versicherte, alles werde getan, um das Leben der Geiseln zu schonen. Gleichzeitig drohte er den Rebellen mit Strafverfolgung. Doch das sind leere Worte, da die Regierung einmal mehr unter Beweis gestellt hat, daß sie im Kaukasus nicht im entferntesten Herr der Lage ist. Auch nach der Geiselnahme von Budjonnowsk wurde mit Strafen gedroht, ohne daß Moskau der Drahtzieher habhaft wurde. In Tschetschenien bekannte sich unterdessen der geflohene Präsident Dudajew zu der Geiselnahme. Er forderte den Abzug russischer Truppen und Gespräche auf höchster Ebene. „Der Krieg fängt erst an“, meinte er. Sollten die Bedingungen nicht erfüllt werden, „endet das Blutvergießen nicht“. Klaus-Helge Donath
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