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Allzu subtile Widerstandstat

■ Wie dachten Heisenberg, Hahn und Co während der Haft?

Eine Fußnote, eine Anekdote nur im großen Buch der Weltgeschichte. Aber manchmal geben ja gerade die Seiteneinstiege und Hintereingänge, wie der Hamburger sagt, Butter bei die Fische.

Da haben wir etwa die stolze Schar der deutschen Atomphysiker, weltberühmte Namen, Nobelpreisträger, Werner Heisenberg, Otto Hahn, wie sie alle heißen. Unter den Nazis haben sie weitergeforscht, in einem Atomprogramm. Nach dem Kriege wurden sie von den Alliierten in England, im Landhaus Farm Hall bei Cambridge inhaftiert. Haben sie dort, ihrer Intelligenz entsprechend, ihre Verstrickung in ein Unrechtsregime durchschaut? Da sind Zweifel angebracht. Einer von ihnen etwa, Horst Korsching, überschlägt noch in der Gefangenschaft, wieviel Kapital er aus seinem Wissen über die Atomspaltung in Argentinien schlagen kann. Insgesamt war man viel mit allerlei Selbstrechtfertigungsstrategien beschäftigt, und oft ist amüsant, wie banal die Gespräche dieser großen Wissenschaftler waren. „Etwas Überraschendes kann ganz plötzlich kommen“, so beispielsweise Werner Heisenberg.

Woher wir das wissen? Die Forscher wurden ohne ihr Wissen abgehört. Die Gespräche wurden aufgezeichnet. Im Jahre 1992 wurden die Protokolle schließlich veröffentlicht. Als Begleitprogramm zur Ausstellung 200 Tage und 1 Jahrhundert hat das Hamburger Institut für Sozialforschung daraus auf Kampnagel eine Lesung organisiert, eine hübsche, kleine, einstündige Sache, intelligent und ohne falsches Brimborium in Szene gesetzt.

So ging die Gefangenschaft dahin. Man überlegte, ob man sich Rußland oder Amerika zuwenden sollte. Daß sie nicht geköpft würden, merkten die Forscher bald. Dann kam der August 1945, und auf einmal wird die bis dahin amüsante Banalität erschreckend. Die Forscher erfuhren vom Abwurf der Atombombe auf Hiroshima – und reagierten beleidigt.

Ganz deutlich ist etwa in den Sätzen Heisenbergs die narzistische Kränkung spürbar, daß die Amerikaner es vor ihm geschafft haben, so eine Bombe zu bauen. Interessant auch die Reaktion Carl Friedrich von Weizsäckers, ihm gelingt es, das Zu-spät-Kommen (das welthistorisch natürlich ein Glück ist) in eine diffizile Widerstandstat umzuzimmern: Die Herstellung einer Atombombe sei den deutschen Forschern nur deshalb nicht vor den Alliierten gelungen, weil sie eigentlich gar nicht wollten, daß es ihnen gelingt; das zeige doch, daß sie so eine Waffe den Nazis nicht in die Hände geben wollten. Von den Alliierten wurde Weizsäcker übrigens als „Diplomat“ eingeschätzt, man wisse nie, wann er die Wahrheit sage. Dirk Knipphals

Foyer K2, noch heute, 20 Uhr

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