: Der Bank ein Haus abgetrotzt
Mietergemeinschaft kauft mit Hilfe der Genossenschaft „Selbst Bau e.G.“ ihr Haus. Ohne neues Selbsthilfeprogramm können Genossenschaften nicht bestehen ■ Von Kathi Seefeld
„Runtergegangen wie Öl“ war es dem Geschäftsführer der „Selbst Bau e.G.“, Fabian Tacke, als er im September vorigen Jahres den Kaufvertrag für die Rykestraße 25 unterschreiben konnte. „Schließlich kommt es nicht alle Tage vor, daß die Berliner Bank ein Haus an eine Mietergenossenschaft verkaufen muß“, so der 23jährige. Entsprechend schwierig hatten sich die Verhandlungen mit der Grundstücksgesellschaft „Berlin“ mbH, dem Immoblienunternehmen des Geldinstituts, über zwei Jahre hinweg gestaltet. Angefangen im Dezember 93, als die Rykestraße 25 als eine von vierzehn Immobilien von der Bank erworben worden war. Die Wohnungsbaugesellschaft im Prenzlauer Berg (WIP) mußte damals zahlreiche Häuser verkaufen: Hals- über-Kopf-Privatisierungen, zu Spottpreisen, um sich im Zuge der Altschuldenregelung eine vermeintlich günstige Ausgangsposition zu verschaffen. Die mit dem Erwerb verbundene Option, das Haus innerhalb von drei Monaten an die Mieter weiterzuveräußern, falls mehr als 50 Prozent der Hausbewohner dies wünschen, versuchte die Grundstücksgesellschaft schon wenig später zu umgehen.
Die Selbst Bau e.G. trat auf den Plan: „Wenn ihr wollt, wollen wir auch.“ Die Hausgemeinschaft Rykestraße 25 fand die Idee gar nicht so übel, die Mieter wurden zu Mitgliedern der Genossenschaft, und das Tauziehen nahm seinen Lauf.
„Allein hätten die Hausbewohner wohl nie ein Angebot zum Erwerb des Hauses abgegeben.“ Die Berliner Bank wäre Eigentümer geblieben wie bei zehn anderen einstigen WIP-Häusern auch. Gründe, weshalb sich Mietergemeinschaften vor der Übernahme eines Hauses fürchten, gibt es jede Menge. Die Angst vor dem bürokratischen Aufwand, um Fördermittel und Kredite zu erhalten, hält Fabian Tacke für eine entscheidene Hürde. Die Selbst Bau e.G. leiste hier Hilfestellung.
Die Selbst Bau e.G. ging hervor aus der Bürgerinitiative Rykestraße, die 1988/89 den von SED- Funktionären geplanten Abriß der Gründerzeithäuser verhinderte. Eine Vielzahl der AktivistInnen der BI wohnte in den heruntergekommenen Gemäuern der Rykestraße 13 und 14. Die beinhalten nunmehr nicht nur phantastische Wohnungen und Gewerbeflächen – eine Kneipe, einen Buch- und einen Klamottenladen –, die Häuser sind jetzt auch Eigentum der Genossenschaft, bzw. die Selbst Bau e.G. ist für sie verfügungsberechtigt. Großer Wert wird auf eine Selbstverwaltung der Häuser, zum Beispiel auf der Basis von Hausvereinen, gelegt. „Das ist Bestandteil unserer unternehmerischen Politik“, so der gelernte Mechaniker Tacke. „Andere Genossenschaften können dies anders gestalten.“
Die Bilanz spricht für die Selbst Bau e.G. Etwa 140 GenossInnen vereint sie mittlerweile. Mehrere einst spekulationsbedrohte Häuser in Prenzlauer Berg und Mitte gehören zur Genossenschaft. Im Frühjahr ist Baubeginn für zwei erste Neubauvorhaben in Mitte. Für Fabian Tacke liegt der Erfolg der Genossenschaft vor allem an der kieztypischen Mischung ihrer Mitglieder. „Die kommen aus allen sozialen Schichten.“ Immer stehen, so der Geschäftsführer, pragmatische Lösungen im Vordergrund. „Ziel ist eine gute, sichere und sozial vertretbare Wohnungsversorung.“ In Kauf nehmen würden die meisten GenossInnen dafür vorübergehend sogar eine höhere als die derzeit in den Häusern übliche Nettokaltmiete zwischen 4,70 und 6,70 Mark pro Quadratmeter. „Das könnte durchaus einmal bei ungünstigen Kaufbedingungen passieren. Nicht jedoch, ohne mit allen darüber geredet zu haben.“ In der Regel gilt bei der Selbst Bau e.G., daß sich jedes Projekt auch selbst finanzieren können muß. Bislang war das in der Regel bei entsprechendem Engagement der GenossInnen immer möglich. Das derzeitige Vakuum in Sachen Selbsthilfe und die Haushaltssperre für andere Förderprogramme der Stadt gefährden die Genossenschaftsidee jedoch erheblich. Zwar habe die Selbst Bau e.G. für die Rykestraße 25 sofort nach dem Kauf reagiert und Druck gemacht, um noch vor Auslaufen des Programms Selbsthilfemittel bewilligt zu bekommen und ab März mit der Sanierung zu beginnen. Doch für eine alternative und die gern zitierte „sozialverträgliche Stadterneuerung“ sieht Fabian Tacke schwarz. „Ohne ein neues Selbsthilfeprogramm bliebe eigentlich nur, die Genossenschaftsidee an den Nagel zu hängen.“
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