Variationen über Wagner

■ „Stundenplan einer Rache“ im Theaterschiff am Mäuseturm

Ganz schön dreist, dieser Ritter Tristan. Erst mordet er Isoldes Liebsten, schickt ihr zum Hohn noch den abgeschlagenen Kopf, und dann kommt er sie holen, zur Heirat mit seinem König Marke. Dieser ist auch nicht unschuldig, gab er doch den Mordbefehl. Was soll eine arme Irin da machen, die noch dazu das Pech hat, im Mittelalter geboren zu sein?

Männer sind schwanzgesteuert, die Waffen einer Frau wirken da am besten. Also legt die holde Isolde Tristan und Marke nach- und nebeneinander flach, spielt sie in ihrer lächerlichen Eifersucht gegeneinander aus, verletzt sie in ihrem Mannesstolz und übt somit die grausamste Form der Rache. Typisch Typen, typisch Weib.

Zum Stundenplan einer Rache, ihrem Variationsstück über ein Wagner-Thema, wünscht Esther Vilar sich die Originalmusik des romantischen Meisters. Jürgen Hübner, Chef im Theaterschiff am Mäuseturm und Regisseur der neuen Aufführung dortselbst, hat sich lieber für eine überarbeitete Fassung des Tristan-Klavierauszuges entschieden. Dazu läßt er Katharina Butting, Oliver Törner und Arthur Duncker auch mal ein Opernmotiv ganz derbe schmettern.

Doch Vilar meint es ernst. Sie könne sich nicht vorstellen, so steht es im Programmheft, daß ein Liebestrank gröbste Greueltaten vergessen ließe. Deshalb habe sie der Wagner-Handlung eine weniger absurde Wendung geben wollen. Und Hübner wundert es, daß das Premieren-Publikum nicht nur an den dafür vorgesehenen Stellen lachte: „Das ist doch eine ganz schön harte Geschichte!“

Eine folglich ungewollte Komik ist es, die bei der Aufführung für Schwung und Unterhaltung sorgt. Allein wegen dieser gelungenen Planlosigkeit lohnt ein Besuch. Außerdem läßt sich doppelte Schiffsatmosphäre – auf der Bühne und drumherum – wohl kaum stilvoller genießen als im Hamburger Hafen.

Nele-Marie Brüdgam

Weitere Aufführungen: 19., 20., 23., 24., 26., 28. Januar, 21., 23., 24. Februar, Theaterschiff am Mäuseturm, 20 Uhr