Gastkommentar
: Schweigen ist fatal

■ Aufruf gegen das Verzagen der Bremer Kulturschaffenden von Katrin Rabus

Es begann recht harmlos wie eine Provinzposse: Eine ungeübte Kultursenatorin fragt, was Schauspieler denn so am Vormittag machen und regt Fahrten nach Hamburg an, um Spitzenereignisse zu erleben. Jetzt wird die Posse zu herber Realität.

Innerhalb weniger Monate werden die Künstler des Stadttheaters und die Theaterleitung so unter Druck gesetzt, daß die künstlerische Arbeit kaum noch möglich ist. Nachdem sich das Theater gerade aus den Tiefen der Heyme-Ära erholt und eine junge, engagierte Truppe – ohne Starkult und Eitelkeiten – sich formiert und auf dem Weg zu guter, manchmal auch sehr guter Theaterarbeit für diese Stadt ist, schlägt die Kultursenatorin mit dem ideologischen Holzhammer auf die Kulturszene und das Stadttheater ein, unfähig oder unwillig, sich schützend vor den ihr anvertrauten Bereich zu stellen.

Der Sparzwang ist für alle schmerzhaft, aber der Vertragsbruch und die geplante Umverteilung ist der eigentliche Skandal. Sie richtet sich gegen die etablierte Kultur, die als elitär und bürgerlich angesehen wird. Gefördert werden soll die Volksnähe, das Regionale, bei dem die vermeintlich eigene Wählerklientel lacht.

Aber gerade die Breite des Angebots der Tanz-Avantgar-de über außereuropäische Musik bis hin zur vergnüglichen Unterhaltung macht das Bremer Profil aus, um das uns viele beneiden.

Und nun diese Polarisierung von oben! Verunsichern, Bremsen, Lähmen – statt Orientierung, wie man mit den wenigen Mitteln noch produktiv in der Stadt wirkt. Was hoffnungsvoll vor vier Jahren an Zusammenarbeit über die engen Grenzen der eigenen Klientel hinaus, mitgetragen von engagierten Kulturpolitikern, begonnen wurde, wird nun kaputtgeredet. Der Schaden für Bremen und seine Bürger ist schon eingtreten. Da können die Millionen für die Imagekampagne auch nicht mehr helfen. Die besten Künstler werden die Stadt verlassen.

Das hat die Bremer Szene nicht verdient, das kann sie auch nicht allein wegstecken. Da braucht sie Unterstützung von allen verantwortlichen Kräften der Stadt. Zu eng ist die kulturelle Arbeit mit den finanziellen Zuwendungen verknüpft, die von den politischen Instanzen bewilligt werden müssen. Die Institutionen und freien Projekte versuchen, für sich allein und auf wenige Anhänger gestützt, für sich zu retten, was zu retten ist. Das ist verständlich, birgt aber die Gefahr, daß die Senatorin Schweigen als Zustimmung sieht und so weitermacht wie bisher – „dieses Theater um das Theater“.

Schweigen ist fatal. Wenn jetzt das Theater dran ist, ist es morgen das Orchester oder übermorgen die Shakespeare-Company. Alle sind bei dieser Politik gefährdet, das ist sicher. Und wer glaubt, er habe jetzt gute Karten, der irrt sich. Wenn die Politiker erst einmal merken, wie einfach man hier die Ausgaben einsparen kann, ohne spürbare Wirkungen auf ihr eigenes Alltagsleben und ohne nennenswerte Wählerproteste, ist niemand mehr sicher. Und wir dürfen uns dann eines Tages mit Bühnen-Fast-Food auf Pay-TV-Niveau begnügen.

Im Vordergrund stehen die Sparzwänge – das wird von links bis rechts, vom Arbeitslosen bis zum genau rechnenden Kaufmann verstanden. Aber der Kulturbereich hat seit Jahren seine Sparquote erbracht – von welchem Bereich kann man Gleiches sagen? Die Grenze der Belastbarkeit ist erreicht. Die beiden großen Parteien sind aufgefordert, aus diesem Pfund Kapital zu schlagen für die Stadt. Beton für Straßen und Tunnel mag nötig sein, aber Zukunftsorientierung und Selbstfindung der Menschen in Zeiten großer wirtschaftlicher Krisen wird damit nicht erreicht.

Kultur prägt ein Gemeinwesen gerade nicht in seiner materiellen, sondern in seiner ideellen Form. Und hier prägt sie nicht von der Basis – so ungern das mancher hört – sondern von oben, hier ist das vermeintlich Teure die beste und preiswerteste Investition, weil sie in den Köpfen der Menschen wirkt.