Warmes Wasser zum Nulltarif

Preisdumping auf dem Solarmarkt: Der Bund der Energieverbraucher will der Sonnenenergie in Deutschland zum Durchbruch verhelfen  ■ Von Henry Lohmar

Die Pinnwand sieht aus wie die Außendienstlerübersicht eines Privatunternehmers: Links Deutschland, rechts Berlin, jeder Stadtbezirk ist eingezeichnet. 25 gelbe und rote Miniaturfähnchen stehen für die 25 Phönix-Solaranlagen in der Hauptstadt, noch mal so viele stecken im Land Brandenburg. „Rot bedeutet Eigenbau, gelb heißt Installation durch eine Firma“, erklärt Holger Freyer. Der 26jährige Diplomingenieur für Versorgungstechnik koordiniert von seiner Neuköllner Wohnung aus das „Phönix“-Projekt des Bundes der Energieverbraucher (BdE) für Berlin und Brandenburg.

Mit „Phönix“ will der BdE der solaren Warmwasserbereitung in Deutschland endlich zum Durchbruch verhelfen. Nach dem Vorbild Österreichs, wo vor allem in ländlichen Gegenden Selbstbaugruppen über 16.000 Anlagen installiert haben, soll auch bei uns die Kollektorfläche auf dem Dach bald Normalität werden. Im Gegensatz zur relativ komplizierten solaren Stromerzeugung („Photovoltaik“) funktioniert das Prinzip der „thermischen Solaranlage“ denkbar einfach: Die auf dem Dach installierten Kollektoren (vier bis fünf Quadratmeter) geben die Sonnenwärme an einen Wasserkreislauf ab, der das Brauchwasser im Hausspeicher auf die gewünschte Temperatur bringt. Dieses simple System ermöglicht es auch in unseren Breiten, den ganzen Sommer über Warmwasser „zum Nulltarif“ zu nutzen. Im Winter erhitzt eine gut funktionierende Anlage das Wasser immer noch auf etwa 30 Grad, den Rest besorgt der angeschlossene Heizkessel.

Die Kosten für eine solche Anlage halten sich in Grenzen. Zumindest, wenn man von dem günstigen „Phönix“-Angebot Gebrauch macht. Der Trick: Alljährlich schreibt der BdE einen Großauftrag zur Produktion thermischer Solaranlagen aus. Alle Hersteller können sich an dem Wettbewerb beteiligen. Logisch, daß der Endpreis für eine „Pöhnix“- Anlage zum Teil weit unter den Preisen privater Anbieter liegt. Wer bei der Installation selbst mit anpackt, spart noch mehr Geld.

„Phönix 1“, die kleinste Anlage für bis zu vier Personen, ist ab 4.900 Mark zu haben. Dafür bekommt man zwei Kollektoren mit je 2,3 Quadratmeter Fläche, einen 300-Liter-Solarspeicher, die komplette Regelungs- und Sicherungstechnik sowie Frostschutzmittel. Hinzu kommen Rohrleitungen und ähnliches Zubehör für die Montage für insgesamt 500 bis 600 Mark. „Die Installation ist für jeden handwerklich Begabten kein Problem“, meint Holger Freyer.

Wer doch lieber eine Firma kommen lassen will, zahlt erfahrungsgemäß zwischen 3.000 und 4.000 Mark drauf. Für die Hilfe bei der Eigeninstallation hat der BdE in der Bundesrepublik etwa 400 „Phönix“-Berater geschult. Deren Unterstützung bei der Planung und Installation der Solaranlagen wird mit Schecks aus dem „Sonnenschein“-Heft honoriert, das jeder „Phönix“-Kunde für 150 Mark bekommt. Vier kostenlose Servicetermine stehen dem Bauherrn damit zur Verfügung, doch Holger Freyer würde „auch zehnmal hinfahren, wenn es sein muß“. Rund 25 Stunden nebenberuflicher Arbeit investiert Holger Freyer im Schnitt pro Anlage, vom Vorgespräch bis zur Endabnahme. Die geringe Aufwandsentschädigung vom BdE habe eher symbolischen Charakter, erläutert Freyer. Trotzdem wünscht er sich für die Zukunft mehr Beschäftigung. Denn während „Phönix“ in Süd- und Westdeutschland prima läuft, hält sich das Interesse in den neuen Bundesländern stark in Grenzen. Bei rund 3.000 Anlagen, die der BdE seit Beginn des Projekts bundesweit verkauft hat, sind die 50 Stück in Berlin und Brandenburg nur ein kleiner Posten. „In der Regel fehlt die Bereitschaft zu investieren“, klagt Freyer.

Dabei läßt sich der Preis für eine „Phönix“-Anlage noch weiter drücken, wenn man die Förderrichtlinien der Länder nutzt. Die Investitionsbank Berlin etwa übernimmt 60 Prozent der Kosten thermischer Solaranlagen. Allerdings muß der Endpreis für eine Anlage dabei mindestens 8.350 Mark betragen. Das sei eine unsinnige Bestimmung, ärgert sich Freyer: „In meinen Augen ist das Verschwendung von Steuergeldern, denn dadurch werden die Anlagen unnötig teuer gemacht.“ Die Investitionsbank des Landes Brandenburg fördert die solare Warmwasserzubereitung mit 30 Prozent der Gesamtkosten. In Berlin könnte der Einbau thermischer Solaranlagen in Zukunft sogar Vorschrift werden. Dann nämlich, wenn die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umweltschutz die geplante „Solarenergieverordnung“ durchsetzt. Der Entwurf zielt darauf ab, daß bei 60 Prozent aller Neubauten die Warmwasserbereitung mit Sonnenergie erfolgt.

Mit dem „Phönix“-Projekt hat der BdE den schon totgesagten Solarmarkt in Deutschland wieder etwas angekurbelt. Unter den privaten Herstellern von Solaranlagen hat es dennoch Zoff gegeben, denn viele befürchten, durch den Preisdruck von „Phönix“ ihre Kunden zu verlieren. Diesen Vorwurf weist der Bund der Energieverbraucher von sich. Im Vereinsblatt „Energiedepesche“ wird betont, daß die Öffentlichkeitsarbeit der Einkaufsgemeinschaften auch dem Fachhandwerk zugute komme. Dennoch steht der „Deutsche Fachverband Solar“, der unter seinem Dach etwa 80 Prozent der Hersteller vereint, dem Projekt nach wie vor skeptisch gegenüber. Kein Wunder, denn „Phönix“ liegt mit seinen Preisen, wie jüngst in einem Vergleich der Stiftung Warentest bewiesen (Sonderheft „Energie und Umwelt“ vom April 1995), um einige Tausender unter den Angeboten der etablierten Hersteller. Wahrlich keine gute Werbung für das Fachhandwerk.

„Phönix“-Berater Holger Freyer ist jedoch überzeugt, daß sich der BdE aus dem Markt zurückzieht, sobald die Sache zum Selbstläufer wird. Schließlich sei der BdE ein gemeinnütziger Verein, dem es nicht um Profit, sondern um die Interessen der privaten Energieverbraucher gehe. Was nach „Phönix“ kommt? Holger Freyer könnte sich ein ähnliches Engagement auf dem Gebiet der Photovoltaik vorstellen. Die solare Stromerzeugung steckt in Deutschland noch in den Kinderschuhen. Ende 1995 ist der letzte inländische Hersteller photovoltaischer Anlagen in die USA abgewandert. Den Vorwurf von Greenpeace, die deutsche Industrie hätte kein Interesse an einem Markt für Solaranlagen zur Stromerzeugung, hält Freyer für berechtigt. Die Umweltorganisation erklärte Anfang Januar, sie habe binnen zwei Monaten Kaufinteressenten für Hausdach-Solaranlagen im Wert von 30 Millionen Mark gewonnen.

Infos/Beratung: Holger Freyer, Sülzhayner Straße 20, 12059 Berlin, Tel./Fax: 6875236

Das Sonderheft „Energie und Umwelt“ der Stiftung Warentest kann unter folgender Nummer bestellt werden: 0180/2321313