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Zehn Tote, keine Täter, keine Hinweise

■ Drei verdächtigte Jugendliche sind wieder frei. Lübecker Ermittler rätseln weiter über die Ursache des Feuers

Kiel/Lübeck (dpa/AP/AFP/taz) – Einen Tag nach dem verheerenden Brand von Lübeck ist eine Aufklärung nicht in Sicht: Die drei vorläufig festgenommenen Männer wurden gestern wieder freigelassen. Ein dringender Tatverdacht gegen die Jugendlichen, von denen zwei aus Mecklenburg-Vorpommern stammen, bestehe nicht, erklärte der schleswig-holsteinische Justizminister Klaus Klingner gestern. Der leitende Kriminaldirektor Winfried Tabarelli sagte, die Beschuldigten hätten ein Alibi. Sie hätten kurz vor Ausbruch des Brandes an einer entfernt gelegenen Tankstelle getankt. Die Fahrt bis zu dem Asylbewerberheim hätten sie unmöglich schaffen können. Außerdem sei das Fahrzeug der Männer kurz nach Verlassen der Tankstelle von einer Polizeistreife beobachtet worden. Noch am Donnerstag abend sei eine vierte Person festgenommen worden, die inzwischen wieder frei sei.

Auch die Ursache des Brandes in dem Wohnheim, bei dem nach bisherigen Erkenntnissen zehn Ausländer starben und über 30 zum Teil schwer verletzt wurden – weitere vier werden noch vermißt und sind möglicherweise ebenfalls tot –, ist noch unklar. Nach Angaben der Polizei wird die Ermittlung noch mindestens zwei Tage dauern. Ein technischer Defekt ist damit immer noch genauso möglich wie ein rassistischer Anschlag. Es werde weiter in alle Richtungen ermittelt, sagte Tabarelli. Von einer interessanten Spur könne derzeit nicht gesprochen werden. Die Ausbruchstelle des Brandes wird von der Polizei inzwischen im ersten Stockwerk vermutet. Dorthin konnten die Experten bis gestern abend wegen der Einsturzgefahr aber noch nicht vordringen. Eine Übernahme des Falles durch den Generalbundesanwalt wird es vorerst nicht geben.

Unabhängig von der Brandursache rief der Lübecker Bürgermeister Michael Bouteiller (SPD) gestern zu zivilem Ungehorsam auf, um Ausländer in Deutschland zu schützen. Bouteiller sagte, er könne nicht verstehen und akzeptieren, daß der Staat in schrecklicher Weise das Ausländerrecht mit Abschiebungen exekutiere. „Ich will diesen Staat nicht“, so Bouteiller. Und viele andere Menschen in der Stadt wollten ihn auch nicht. Gerade von Lübeck aus müsse mit Hilfe zivilen Ungehorsams das Gegenteil aufgebaut werden.

Bereits am Donnerstag hatte Bouteiller vor einer Bürgerversammlung gefordert, Asylbewerber nicht länger in Heimen, sondern gemeinsam mit Deutschen unterzubringen. Auch rief er dazu auf, illegal im Land lebende Ausländer aufzunehmen. Die schleswig-holsteinische Ministerpräsidentin Heide Simonis (SPD) wie auch Sprecher von Bündnis 90/Die Grünen unterstützten gestern die Forderungen des Bürgermeisters nach dezentraler Unterbringung. Simonis sagte, falls sich herausstellen sollte, daß es ein Anschlag gewesen sei, werde die Landesregierung 50.000 Mark Belohnung für Hinweise zur Ergreifung der Täter aussetzen.

Die Bundesregierung sprach den Angehörigen der Opfer der Brandkatastrophe ihr Mitgefühl aus. Regierungssprecher Herbert Schmülling erklärte in Bonn, die Bundesregierung sei tief betroffen. Sie hoffe und wünsche, daß die zahlreichen Verletzten bald wieder gesund werden. Solange nicht geklärt sei, was oder wer für das Entstehen des Brandes verantwortlich war, könne eine Beurteilung der Ursachen nicht gegeben werden, sagte Schmülling. Auch die Ausländerbeauftragte der Bundesregierung, Cornelia Schmalz-Jacobsen, riet zur Vorsicht. Für heute mittag um 12 Uhr wurde in Lübeck zu einer Demonstration gegen Rassismus aufgerufen. Tagesthema Seite 3

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