Von den Majors beäugt

■ Viel gepriesen, schlanker Umsatz: das Platten-Label Moll Von C. Gerlach

Ein flüchtiger Blick in die deutschen Charts genügt. Muzak-Tralala von Ace Of Base oder La Bouche regiert die Hitparaden, Scatman John und MC Meschugge & DJ Dement verkleben den Äther. Doch soll hier nicht das Fehlen guten Geschmacks beklagt werden, der sich nicht durchsetzen kann, weil die Massen zu blöd sind. Zumindest aber ist es schade, daß The Biz, die neue CD von The Sea And Cake, nicht auf Platz eins steht, knapp vor Ja König Ja und Saal 2.

Auch Jan Szlovak würden solche Plazierungen gefallen, denn der Hamburger hat Ja König Ja und Saal 2 in seinem Moll- Label unter Vertrag. Und dann könnte der Mann von Anfang 30 mal richtig Geld verdienen und nicht nur reichlich Kritikerlob einheimsen, wie z. B. von Spex und Rolling Stone. Doch kommerzieller Erfolg ist ohnehin nicht der Grund, warum der ausgebildete Jurist Platten veröffentlicht. Schließlich aber will Szlo- vak mit seinem halbprofessionellen Hobby, das er auch „irgendwie aus Idealismus“ betreibt, nicht andauernd Miese machen. „Plusminusnull würde schon reichen“, sagt Szlovak.

Moll („der Name hat keine inhaltliche Bedeutung“) hat Szlovak im Oktober 1993 zusammen mit dem Musik-Journalisten Detlef Diederichsen gegründet: „Ich wollte Sachen rausbringen, die mir selber gefallen oder die ich für gut halte.“ Seit kurzem betreibt Szlovak das Label allein. Die „alten Schulfreunde“ haben sich getrennt. Es sei keine leichte Entscheidung gewesen, sagt Szlovak. Doch am Ende habe man sich bei „künstlerischen Differenzen“ immer seltener einigen können.

Leichter wird–s im Alleingang keineswegs. Selbst gemeinsam mit dem etablierten Musikjournalisten Diederichsen und dessen guten Kontakten war das bisherige Schaffen – insgesamt 15 veröffentlichte Alben – kein Spaziergang. Szlo- vaks Lieblingsmusik Country-Folk hat sich ausrevivalt – insbesondere für Moll bedauernswert, war dies doch bisher ein wichtiges Standbein. Auf dem anderen, Pop-Musik aus Chicago, steht es sich ebenfalls nicht sehr bequem. Bands wie The Sea And Cake oder deren Ableger The Coctails bringen es vermutlich nie zu kommerzieller Blüte. Und allein auf den Erfolg der Flowerpornoes aus Duisburg zu setzen, die dank 4500 verkaufter Exemplare ihres jüngsten Albums Red nicht von Straßen das „größte Zugpferd“ für Moll sind, dürfte nicht genügen. Zu erfolgreich darf die Gruppe um den Sänger Tom G. Liwa auch nicht werden. Die Industrie ist wachsam.

Unter Abwerbungsversuchen haben ganz besonders kleine, unabhängige Labels wie Moll zu leiden. Sie leisten die Aufbauarbeit, die Majors pflücken die reifen Früchte. Das ist auch für Szlovak keine neue Erkenntnis, aber „wenn ich nur Kaufmann wäre, hätte ich gar nicht erst angefangen.“ Ein wenig ärgert es ihn dennoch, wenn er die sieht, wie die Industriefirmen wuchern können: „Ich habe keine zehn Talentscouts in den USA.“

Szlovak ist auf persönliche Initiative angewiesen, um US-Bands für den europäischen Markt unter Vertrag nehmen zu können. Seine Lieblingsband Souled American hatte er einfach in den Staaten angerufen und dann Roger Manning beim Konzert in Austin/Texas angesprochen. Jetzt hat der „Ober-Loser“, wie Szlovak den Mann, der in U-Bahnhöfen spielt, charakterisiert, einen Vertrag bei Moll. „Die Platte wollte ich unbedingt machen.“ Wie viele davon verkauft wurden, ist unerheblich: „Mir gefällt sie einfach.“

Ewig will und kann Szlovak aber nicht so weiter tun: „Ich weiß nicht, wie lange es noch geht.“ Das Warten auf mehr Absatz macht müde. Vielleicht bringt Day, das dieser Tage erscheinende Album von Michael Hall, den Durchbruch. Szlo- vak jedenfalls setzt auf das neue Werk des ehemaligen Setters- Mitglieds. Der Riesenhit von Edwyn Collins mit „A Girl Like You“ zeigt ihm, daß überraschende Erfolge noch immer möglich sind. So etwas nährt die Hoffnung. Und wir behalten die Charts im Auge.