Major baut neue Hürden im Friedensprozeß auf

■ Wahlen zu einem nordirischen Regionalparlament wecken ungute Erinnerungen

Belfast (taz) – Die Krise, in der der Friedensprozeß in Nordirland steckt, ist tiefer als je zuvor. Dafür gesorgt hat die Ankündigung des britischen Premierministers John Major, als „demokratisches Mandat“ für die Teilnahme an Allparteiengesprächen ein nordirisches Regionalparlament wählen zu lassen – es sei denn, die IRA gebe vor den für Ende Februar geplanten Gesprächen ihre Waffen ab.

Der frühere US-Senator George Mitchell, Finnlands Expremier Harri Holkeri und der kanadische General John de Chastelain hatten dagegen im Mitchell-Bericht vorgeschlagen, die Ausmusterung von IRA-Waffen nicht zur Vorbedingung für Allparteiengespräche zu machen, sondern am Runden Tisch darüber zu verhandeln. Gleichzeitig verlangte der Bericht auch von der IRA und ihrem politischen Flügel, der Sinn Féin, eine Reihe von „vertrauensbildenden Maßnahmen“, wie die endgültige Absage an Gewalt und die Einstellung sämtlicher Strafaktionen gegen „antisoziale Elemente“.

Sinn-Féin-Präsident Gerry Adams sagte, Major habe „hinterrücks eine Vorbedingung für Allparteiengespräche gegen eine andere ausgetauscht“. Dank Majors Verzögerungstaktik wird sich der Druck der IRA auf Adams immens verstärken. John Hume, der Chef der katholischen Sozialdemokraten, beschuldigte Major, mit seinem Manöver die Stimmen der Unionisten kaufen zu wollen – die Tories sind aufgrund ihrer schwindenden Mehrheit im Unterhaus auf die neun Abgeordneten der Unionisten angewiesen. Die Dubliner Regierung bezeichnete Majors Plan vorsichtig als „fehlerhaft“. Nur Labour-Chef Tony Blair und Paddy Ashdown von den Liberalen sicherten Major ihre volle Unterstützung zu.

Die probritischen Unionisten haben seit Jahren ein nordirisches Parlament gefordert. Bei der katholischen Bevölkerungsminderheit löst das ungute Erinnerungen an das Stormont-Regime aus, als die Unionisten ihre eigenen Interessen in allen Bereichen rücksichtslos durchsetzten. Als der Konflikt immer mehr eskalierte, löste die britische Regierung 1972 das Regionalparlament auf und regiert Nordirland seitdem direkt. Ralf Sotscheck