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Zwischenlandung „at Finki“

■ Mit dem Hubschrauber über die Elbe: Sechsmal im Jahr nimmt die Wassergütestelle das Flußwasser unter die Lupe Von Heike Haarhoff

Der Pilot hat es eilig. Wenn der Nebel sich noch weiter verdichtet, wird er keine Landeerlaubnis mehr in Fuhlsbüttel bekommen. 500 Fuß Sichtweite sind das Minimum. Die Kollegen vom Funk prophezeien es ihm viertelstündlich. Er aber ist erst auf Zwischenlandung „here at Finki-airport“ und hat noch eine knappe Flugstunde 70 Meter über der Elbe bis Geesthacht und zurück vor sich: „To take water samples“ vertraut er mürrisch und in seiner Arbeitssprache dem Mikrophon an.

Die drei Mitarbeiter von der Wassergütestelle Elbe, die ihn von der Nordsee-Insel Scharhörn bis Finkenwerder begleitet haben, schälen sich aus ihren unförmigen orangefarbenen Ganzkörper-Gummianzügen. Unzählige Proben der grau-braun-grün-düsteren Flußbrühe, die jetzt in säuberlich beschrifteten Einmach- und Reagenzgläsern unappetitlich hin- und herschwappen, haben sie unterwegs bei diversen Wasserlandungen mit dem Probenschöpfer, einer Art Suppenkelle, der Elbe entnommen. Die werden jetzt im Labor der Wassergütestelle auf Salzbelastung, Schwermetalle, chlorierte Wasserstoffe und andere Schwebstoffe untersucht.

Die zweite Schicht steigt zu – zuständig für die Elbwasserqualität von Finkenwerder bis zur Hamburger Grenze. Protokolle der ersten Flugstrecke werden überreicht; es gibt Probleme mit den Meßdaten: Das elektronische Thermometer hat leider gesponnen. Wassertemperaturen von 14 Grad mitten im November sind so unwahrscheinlich wie Winter am Äquator. Langsam wird der Pilot nervös: Die Zeit wird knapp, nicht nur wegen des Nebels. Um die Schadstoffkonzentrationen an den verschiedenen Meßpunkten vergleichen zu können, müssen gleiche Strömungsverhältnisse garantiert sein. Bei Stauwasser sinken die Schadstoffe ab, deshalb werden die Proben grundsätzlich eine Stunde vor Tideniedrigwasser entnommen. Zwischen Scharhörn und Geesthacht bleiben exakt vier Stunden Zeit, bis die Flut wieder einsetzt.

Schwimmwesten werden verteilt, „falls wir notwassern müssen“, sagt der Pilot. Die unförmigen Sicherheits-Monturen sitzen schlecht. Der Wind bläht sie auf. Wir sehen aus wie Hochschwangere in dezentem Müllabfuhr-Orange. Weil die Gummistiefel direkt mit der Hose vernäht sind und es nur eine Einheitsgröße gibt, ist die einzig mögliche Fortbewegungsart in den wasserdichten Anzügen Stolpern. Obwohl der Hubschrauber klein wie ein durchschnittliches deutsches Badezimmer ist, können wir uns nur über Funk verständigen.

70 Meter sind keine schwindelerregende Höhe; auch der Boden des Hubschraubers ist zum Teil aus durchsichtigem Plexiglas und verspricht einen grandiosen Panorama-Blick über den Fluß, Speicherstadt, Hafen, Straßen, Deiche. Aber dafür bleibt wenig Zeit. Zehnmal steuert der Pilot die Wasseroberfläche an und „landet“ jedesmal wenige Zentimeter über der Elbe. „Das konstante Schweben über einem Fixpunkt ist das Schwierigste“, sagt der Pilot. Die beiden Chemiker von der Wassergütestelle Elbe halten die Probenschöpfer schon parat, um ein paar Tropfen Elbwasser mitzunehmen. Immer wieder schwappt etwas daneben, das Wasser rinnt über Sitze und Schutzanzüge. Weil die hintere Klappe fast während des ganzen Fluges offen bleiben muß, sind ihre Hände zu starren Klumpen erfroren, deren Feinmotorik arg in Mitleidenschaft gezogen ist.

Seit 1979 messen Mitarbeiter der Wassergütestelle Elbe sechsmal pro Jahr zusätzlich zu den automatischen, elektronischen Messungen an den verschiedenen Stationen. Zeitlicher und räumlicher Verlauf der Schadstoffkonzentration sollen so miteinander verknüpft werden.

Inzwischen sind wir an den Billwerder Inseln vorbei und landen an der Bunthausspitze, wo Norder- und Süderelbe zusammenfließen. DLRG-Häuschen und Bojen dienen als Anhaltspunkte für die Meßstationen. Über Zollenspieker geht es weiter nach Geesthacht. Dann ist es geschafft. Der Pilot wendet zum Rückflug. Wenige Minuten später taumeln wir „at Finki“ aus dem Hubschrauber.

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