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„Da tickt eine Zeitbombe“

Neuerungen zur Gesundheitsstrukturreform 1996: Strammer Sparkurs für die Krankenhäuser  ■ Von Lars Klaaßen

Den Krankenhäusern in Deutschland geht es an den Kragen: Der strikte Sparkurs, den die Gesundheitsstrukturreform den Kliniken verordnet hat, wird weiter verschärft. Die Gesundheitsstrukturreform sieht für 1996 unter anderem vor, daß die Ausgaben der gesetzlichen Krankenkassen (GKV) für stationäre Krankenhausleistungen nicht stärker steigen dürfen als die Löhne und Gehälter im öffentlichen Dienst. Das heißt: Es gibt keinen Pfennig mehr Geld.

Kurzfristig wurde zum Jahreswechsel ein Gesetzentwurf zur Stabilisierung der Krankenhausausgaben vorgelegt. „Wir kriegen dieses Jahr eine Budget-Konstruktion vorgesetzt, von der wir erst im Mai wissen werden, wie sie denn aussieht“, ärgert sich Frank Ulrich Montgomery, Vorsitzender des Marburger Bundes, dem Verband der angestellten und verbeamteten Ärzte Deutschlands. „Erst dann nämlich finden die Tarifverhandlungen statt.“

Auch die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) kritisiert, daß das Regelwerk mit heißer Nadel gestrickt worden sei. Die entscheidende Änderung gegenüber der bisherigen Regelung besteht darin, daß die sogenannten Ausnahmetatbestände wegfallen. Damit konnten die Kliniken bisher ihre Finanzlöcher stopfen. Die DKG befürchtet, daß viele Krankenhäuser nun direkt in den Ruin schlittern. „Bundesgesundheitsminister Horst Seehofer hat unverantwortlicherweise sogar schon von einer Minusbudgetierung gesprochen“, so Montgomery. In diesem Falle bliebe es nicht bei einer finanziellen Nullrunde. Den Krankenhäusern würden sogar noch weitere Gelder gestrichen.

In Berlin beispielsweise wird die Lage um so dramatischer. Berlin hat kein Geld. Das haben auch schon die Krankenhäuser zu spüren bekommen. Vor allem der Betten-Abbau wurde in den letzten Jahren heiß diskutiert. Nun wird sich die Situation weiter verschärfen.

Klaus Merten, Betriebsberater im Kreuzberger Urban-Krankenhaus: „Bei den Personalkosten können wir nichts einsparen, die Leistungen für unsere Patienten sollen ebenfalls nicht beschnitten werden. Da muß dann bei der Instandhaltung gekürzt werden, wenn wir über die Runden kommen wollen.“

15 Millionen Mark habe das Urban-Krankenhaus an Instandhaltungsbedarf angemeldet. Dieses Geld wird auf sich warten lassen. Allein von den acht Millionen Mark, die für die Instandhaltung der Geräte benötigt werden, stehen nur vier Millionen zur Verfügung.

„Da tickt eine Zeitbombe“, warnt Merten. Neuere Kliniken haben mehr Spielraum als solche, die in Altbauten untergebracht sind. Doch im Endeffekt schieben die Krankenhäuser einen Kostenberg vor sich her, der automatisch von Jahr zu Jahr rapide wächst. Auf Dauer wird sich mangelnde Instandhaltung auch auf die Leistungen gegenüber den Patienten bemerkbar machen.

„Das läuft darauf hinaus, daß sich viele Kliniken durch stramme Rosinenpflückerei ihre Vorteile suchen“, prophezeit Montgomery. Teure und aufwendige Anwendungen blieben an den großen öffentlichen Häusern hängen, die damit hohe Ausgaben, aber kaum Einnahmen hätten.

Wer die Möglichkeit hat, spezialisiert sich dagegen auf Verfahren, für die die Krankenkassen mehr zahlen. „Im Endeffekt werden in diesem Wettbewerb dann die Gewinne privatisiert und die Verluste sozialisiert“, so der Vorsitzende des Marburger Bundes. „Objekt dieses Wettbewerbes ist der Patient mit seiner Krankheit.“

Die Krankenhäuser handeln für das kommende Jahr mit den GKV aus, wie viele Leistungen sie voraussichtlich erbringen werden. Entsprechend dieser Prognose zahlen die Krankenkassen an die einzelnen Häuser. Übersteigen die Ausgaben der Kliniken die Gesamtvergütung im jeweiligen Wirtschaftsjahr, sind die Kliniken, die das Limit überschreiten, zum Ausgleich im folgenden Jahr verpflichtet.

„Das geht soweit in Ordnung, so Mertens, „wenn der Fall eintritt, daß wir zum Beispiel weniger Leistungen erbracht haben, als eigentlich geplant waren.“ In diesem Falle sei die Rückzahlung des vorgeschossenen Geldes an die Krankenkassen berechtigt. Montgomery befürchtet durch den wachsenden finanziellen Druck mittelfristig eine Ausdünnung der Krankenhauslandschaft: „Vor allem auf dem Land wird die Versorgungssituation um einiges schlechter werden.“ Dann müßten beispielsweise im Raum Berlin viele Brandenburger in die Hauptstadt fahren, um sich stationär behandeln zu lassen.

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