piwik no script img

Castor-Behälter rollen durch Berlin

■ Ein Atomtransport von Greifswald zum ungarischen AKW Paks führt diese Woche wahrscheinlich am östlichen Stadtrand vorbei. Das Anti-Atom-Plenum veranstaltete am Sonntag einen Bahnspaziergang

Wann, wie, wo – das wird weiterhin geheimgehalten. Atomgegner rechnen jedoch damit, daß der geplante Eisenbahntransport von 235 abgebrannten Brennelementen aus den stillgelegten DDR- Atomkraftwerken Greifswald/ Lubmin und Rheinsberg in dieser Woche via Berlin nach Ungarn geht.

„Es kann jederzeit losgehen, vielleicht schon am Montag“, so ein Sprecher des Anti-Atom-Plenums. Das Bundesamt für Strahlenschutz hat den Transport bereits genehmigt, verweigert aber jede Auskunft über Datum und Bahnstrecke.

Das Anti-Atom-Plenum ist sich indes ziemlich sicher, daß die heiße Fracht durch den südöstlichen Stadtrand von Berlin rollt. Die Waggons mit den drei Castor-Behälter à 120 Tonnen seien einfach zu schwer für Nebenstrecken und ungesicherte Brücken. Eine der möglichen Hauptstrecken führt durch Köpenick.

Die Atomgegner haben deshalb gestern wieder einen „Sonntagsspaziergang“ entlang der betreffenden Bahnstrecke rund um den S-Bahnhof Spindlersfeld veranstaltet. Die rund 20 TeilnehmerInnen waren zufrieden: „Mit guter Resonanz“ habe man jetzt schon den dritten solcher Spaziergänge unternommen und den erstaunten Passanten aufklärende Flugblätter in die Hände gedrückt.

Die Senatsverwaltung für Umwelt zeigte sich auf Anfrage „informiert“ über den bevorstehenden Transport, wußte aber auch keine Einzelheiten. „Da dieser von der Deutschen Bahn genehmigt werden muß, hat das Land Berlin keinerlei Zuständigkeit“, so Sprecherin Mechthild Bülow. Auch die bündnisgrüne Abgeordnete Judith Demba erhielt auf eine Kleine Anfrage diese Antwort.

Das Bundesamt für Strahlenschutz findet die Transporte unproblematisch, weil die Brennstäbe nur kurze Zeit – nach Information des Anti-Atom-Plenums 25 Tage – eingesetzt worden seien und ihre Radioaktivität entsprechend gering sei. Das Bahnpersonal werde dieser keineswegs harmlosen Strahlung einfach ausgesetzt, ohne darüber genügend informiert zu sein, kontern die Atomgegner.

Brisant ist auch der Hintergrund des Transports: Die DDR- Atomkraftwerke wurden nach der Wende abgeschaltet, weil sie zu unsicher waren. Ihre Brennstäbe, die jetzt zu einer Mark das Stück an Ungarn verkauft wurden, sollen nun im baugleichen, also gleich unsicheren ungarischen AKW Paks eingesetzt werden. Der Deal ist für die Atomindustrie beider Länder profitabel: Die Deutschen sparen Entsorgungskosten in Millionenhöhe, die Ungarn sparen nicht minder teure Brennstoffkäufe.

Letzten Endes aber werden die Uranstäbe die russische Pampa verseuchen. Weil Ungarn und Rußland einen Vertrag über die Entsorgung radioaktiven Mülls abgeschlossen haben, werden die Brennelemente nach Gebrauch in einem der bekanntermaßen völlig ungenügend abgesicherten russischen Atommülllager landen. Ute Scheub

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen