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Schreiende Wahrheit

■ Der Komponist Klaus Ospald und das Ensemble „Kontraste“ begeisterten im Radio Bremen-Sendesaal / Lust am Lärm

Klaus Ospald ist einer der Stillen im Lande. Der 1956 geborene Komponist ist kaum Insidern bekannt. Gleichwohl nennt er über renommierte Kompositionpreise sein eigen; auch Aufträge fehlen nicht. Die Geschichte der Komposition ist im 20. Jahrhundert belastet mit einer solchen Fülle von sozialkritischen Aspekten, von Infragestellung des künstlerischen Tuns, von Experimenten mit Geräuschen und vielem anderen mehr. Dies ist unter anderem der Grund dafür, daß sich ein in klassischer Musik durchaus gut orientiertes Publikum so schwer mit dieser Musik tut. Derartiges war bei Klaus Ospald wie weggeblasen. Im Bremer Podium erklärte er einfach, er habe „Lust, Klänge zu setzen“, „Lust, Lärm zu machen“, „Konventionen platzen zu lassen“. Die Frage des einfühlsamen und kenntnisreichen Moderators Siegfried Mauser, ob es denn nicht waghalsig und ungewöhnlich sei, heute Komponist zu werden, verstand Ospald überhaupt nicht: er lebe in Tönen, er denke in Tönen, er strotze vor Einfällen, also schreibe er Musik. Das macht seine Werke trendunabhängig.

„Ich fühle mich der Tradition zugehörig“, bekennt er und meint nicht, diese Tradition brechen, umzukippen oder verfremden zu müssen. Trotzdem findet er, daß Kunst per se Widerstand ist. Aus Bewährtem in Form und Besetzung entfaltet er „seine Klage und seinen Zorn“. Daß er „in dieser Welt steht“, daß aber „Musik von anderen Welten weiß und sich so dem Zugriff der realen Welt entzieht“ zeigt auch die Wahl seiner Texte.

Für „Ma quell'anno la primavera stentava a farsi avanti ...“ für Kammerensemble werden Texte von Pier Paolo Pasolini, Samuel Beckett und vor allem ein Satz von Alexander Mitscherlich zugrundegelegt: „Es gibt kaum eine Zerstörung, die die menschliche Phantasie sich ausdenken könnte, die nicht immer und wieder vollbracht wäre. Es ist das Normale“. Ospald versieht nicht einfach den Text mit illustrativ untermalender Musik, sondern der Text löst als poetische Matrix die Musik aus, führt ihn also auf andere Weise weiter, nutzt ihn auch phonetisch. Das Stück mit seinen aggressiven und vorwärtstreibenden Klarinetten- und Saxophonklängen und seinen ungewöhnlichen Klangerfindungen, denen immer ein starker rhythmischer Impuls zugrundeliegt, bleibt kaum hinter der apellhaften Emphase des Textes zurück. Es ist meisterhaft, wie Ospald jegliche Belehrung oder Affirmation vermeidet: Die schreiende Wahrheit für einen Augenblick bannen, will Ospald.

Erheblichen Anteil, diesen Anspruch einzulösen, hatte die fabelhaft genaue und sehr engagierte Interpretation des in Bremen debutierenden, 1990 gegründeten Ensembles „Kontraste“ unter der Leitung von Hermann Beyer. „Kontraste“ wird man sich merken müssen.

Im „Klaviertrio“ (1994) versucht Ospald, „das Trennende von Violine, Klarinette und Klavier zu überwinden“, indem er eine Präparierung des Klaviers mittels Magneten vornimmt. Der klassischen Form bleibt er treu: Es gibt Sätze, und es gibt sogar einen Walzer, der sich „immer wilder“ überschlägt. Eine fast grenzenlose Virtuosität wird Hans Peter Hofmann, Günter Voit und Stefan Danhof abverlangt. Doch Ospald kann anhalten, aushalten und die Phrasen enorm spannen. Sein dramaturgisches Gespür zum Ausloten bestimmter Teile und stets aufregende Übergänge ist außerordentlich. Für „ ...und die Erd' ist kalt“ für Bläser, Harfe, Kontrabaß, Schlagzeug und zwei Klaviere (1992/93) legt Ospald einige Zitate von Friedrich Hölderlin zugrunde, „deren sprachliche Gestalt, Sinn und Bedeutung mich ständig bewegen“. Das Werk wirkte nicht ganz so konzentriert wie die anderen und hat auch Längen. Seine Grundaussage ist eine Art Totentanz, „überdreht“ wie im Klaviertrio der Walzer. Aber auch dieses Stück zeigt den genuinen ästhetischen Ansatz Ospalds, dessen Musik trotz seines permanenten Traditionsbezuges in keinem Takt das Präfix „Neo-“ ausstrahlt. Auch für „... und die Erd' ist kalt“ war die Wiedergabe des Ensemble Kontraste überragend und löste Beifallsstürme aus.

Ute Schalz-Laurenze

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