Notration für die frierenden Kunden

■ Die Kohlenhändler haben Lieferschwierigkeiten und schimpfen: „Wie im Osten!“

Die anderthalb Tonnen sind aufgebraucht. Ende August hatten Claudia und Mohammed die Kohlen in ihre Wohnung in der Kreuzberger Waldemarstraße geschleppt, und nun, Ende Januar, bleibt ihnen gerade mal eine kleine Kiste mit Bruchresten. Die müssen sie sich trotz der Kälte wohlüberlegt einteilen, denn noch mindestens eine Woche lang werden sie auf Nachschub warten.

Wie ihnen geht es auch anderen Kohlenkunden, die zunehmend verzweifelt nach Brennstoff suchen. Denn in Berlin wird die Kohle knapp. Seitdem sich die Temperaturen hartnäckig unter null Grad halten und die Nachfrage nach dem schwarzen Heizmaterial ansteigt, geraten die Berliner Kohlenhändler immer mehr in die Bredouille. Oft können sie nur noch Notrationen liefern, damit die frierenden Kunden die nächsten Tage ohne Unterkühlung überstehen.

Helmut Steffenhagen von Ruhrkohle Handel Ost versichert, daß bestehende Verträge noch erfüllt werden könnten, doch „nichts, was darüber hinausgeht. Alle Lagervorräte sind erschöpft.“ Besonders bei den praktischeren gebündelten Kohlebriketts herrscht ein „Versorgungsengpaß“, meint Steffenhagen.

Mit der lang anhaltenden Kälte der vergangenen Wochen haben nämlich weder Händler noch Kunden gerechnet. „Die Leute sind aber auch selbst schuld“, beschwert sich Karin Danielowski , Kohlenhändlerin in Prenzlauer Berg. „Sie melden sich erst, wenn sie das letzte Brikett in den Ofen schieben, dann brauchen sie sich auch nicht zu wundern, daß sie ein oder zwei Wochen warten müssen, bis die nächste Fuhre kommt.“ Danielowski fehlt es schon seit 14 Tagen an gebündelten Briketts, vor Mitte Februar kann sie keinen Nachschub erwarten.

Die Einzelhändler versuchen ihre Käufer mit losen Kohlen zu trösten, aber auch die gibt es nicht mehr in rauhen Mengen.

Gerade kleine Betriebe, wie der von Herbert Schwadtke in der Dunckerstraße in Prenzlauer Berg, müssen sehen, wie sie ihre Kunden bei der Stange halten. „Das ist wie im schlimmsten Osten hier“, klagt der Kohlenverkäufer, „an einem Tag mußte ich acht Kunden vertrösten, weil ich nichts mehr hatte. Wir wissen schon gar nicht mehr, wie ein Zentner aussieht.“ Fehlende Lagerräume für die erforderlichen Kohlenmengen sind das Dilemma kleiner Firmen. „Wir sind nicht auf den langen Winter vorbereitet“, lautet Schwadtkes Fazit. „Wenn das noch mal so kalt wird, bricht alles zusammen.“

Einen kleinen Trost gibt es allerdings: Trotz der Knappheit sind bis jetzt wenigstens die Preise nicht gestiegen. Silke Stuck