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Wohnraum für alle?

■ NGOs bereiten sich in Berlin auf den UN-Weltsiedlungsgipfel im Juni vor

Berlin (taz) – Ist die Türkei ein geeigneter Ort für die UN-Weltsiedlungskonferenz im kommenden Juni? Die Bundesregierung hat daran keine Zweifel. Zum Abschluß eines Strategietreffens von Nichtregierungsorganisationen (NGOs) in Berlin auf Befürchtungen angesichts mangelnder Redefreiheit in der Türkei angesprochen, erklärte Jürgen Wilhelm vom Bundesministerium für Wirtschaftliche Zusammenarbeit (BMZ) gestern, es gebe „überhaupt keinen Anlaß, zu diesem Thema Stellung zu nehmen“.

Zuvor hatte Kirtee Shah, Präsident des Dachverbandes der mit der UNO-Konferenz befaßten NGOs, beklagt, daß die türkische Regierung sich geweigert habe, den türkischen Teilnehmern am parallel zur Konferenz geplanten NGO-Gipfel Immunität zuzusichern. „Wenn es aber keine Redefreiheit gibt“, so Shah, „braucht man sich nicht zu treffen.“ Er fügte jedoch hinzu, daß die bei dem Strategietreffen in Berlin anwesenden türkischen Nichtregierungsorganisationen auf der Türkei als Konferenzort bestanden hätten. Dies gewähre unabhängigen türkischen Gruppen ein internationales Forum. Allerdings wird befürchtet, daß die Regierung der Türkei die NGOs aus Istanbul weg an einen abgelegenen Ort verbannt, wie es China bei der Weltfrauenkonferenz im September 1995 tat.

Der Weltsiedlungsgipfel „Habitat II“ findet zwischen dem 3. und 14. Juni in Istanbul statt. Er ist die Nachfolgekonferenz des „Habitat I“-Gipfels von 1976 im kanadischen Vancouver und zugleich Abschluß der Serie von UNO-Mammutveranstaltungen, die mit dem Umweltgipfel in Rio 1992 ihren Anfang nahmen. Thema von „Habitat II“ ist die rapide Verstädterung der Welt und die sozialen und ökologischen Folgen. In zehn Jahren wird erstmals die Mehrheit der Weltbevölkerung in Städten wohnen. Ein Viertel der Menschheit, heißt es im Abschlußdokument des Berliner NGO-Treffens, lebt „in unsicheren, ungesunden und prekären Bedingungen“.

Die Festschreibung des „Rechts auf Obdach“ als Grundrecht zu fordern, setzten sich die Nichtregierungsorganisationen zum Abschluß ihres Treffens in Istanbul als Ziel. Diese Forderung wird von den Regierungen der entwickelten Länder nur mit Einschränkungen geteilt. Die Bundesregierung ist nach den Worten Wilhelms für ein „Recht auf angemessenen Wohnraum“, solange es kein „einklagbares und individuelles“ Recht ist. Auch die NGOs sehen das „Recht auf Wohnraum“ in erster Linie als Recht darauf, daß Regierungen Rahmenbedingungen schaffen, die den Menschen die Schaffung menschenwürdiger Behausungen ermöglicht. Was zu diesen Rahmenbedingungen gehört – ob nur die Achtung der Menschenrechte oder auch bestimmte wirtschaftspolitische Maßnahmen –, ist allerdings umstritten. Dominic Johnson

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