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Freud steht Kopf

■ Literaturhaus: Klaus Theweleit las über Andy Warhols Kindergeburtstage

Klaus Theweleit nennt sich „Artist“, und das drückt er in seinem neuen Buch der Könige – Recording Angels' Mysteries vor allem mit ungeheuer vielen assoziativen Pünktchen aus...

Beim Vorlesen verschwinden diese Pünktchen und mit ihnen die amorphen und a-theoretischen Gedankensprung-Pausen. Wenn Klaus Theweleit wie vorgestern im Literaturhaus vorliest, wird es schwer, ihm zu folgen, vor allem, wenn man dabei immer Angst um seine heisere Stimme haben muß.

Zweieinhalb Stunden lang trug er seine Andy-Warhol-Geschichten, das Kernstück des „2y“-Bandes des Königs-Buchs, vor: Daß Warhol, der alles aufnahm, fotografierte, filmte, selbst eine moderne Reproduktions-Maschine war, daß Warhol, der „in zehn Jahren nie etwas Persönliches“ gesagt habe, fand, daß jeder jeden mögen sollte, daß Warhol, indem er die US-amerikanische Identität als Serie entwarf, selbst ohne Identität war – im Zentrum und doch leer –, all das erzählt Theweleit.

Er selbst gibt sich als Aufschreibesystem der Popmoderne. Ob er sich als „Museum der Postmoderne“ sehe, fragte in der anschließenden „Diskussion“ ein Zuhörer. „Museum“ mochte er nicht sein, dennoch paßt der Begriff: Sind nicht die Schwänke aus Warhols Leben erzählt, als sei man zu dem Kindergeburtstag zwar eingeladen, aber unglücklicherweise doch nicht da gewesen?

Spannender als die Legenden aus den fernen Zeiten der Avantgarde ist so auch die Wissenschaft: Woher kommt die Energie solcher Männer und der wenigen Frauen, die sich auf die Chefkünstler-Sessel gesetzt haben? Theweleit verweist auf die unermüdlichen Mütter und wenigen Väter, die ihre kleinen Krieger mit dem Wissen um ihre Besonderheit vollgestopft haben, will hier jedoch nicht zu tief in die Psychoanalyse einsteigen und verwirrt dadurch: Wenn er schon den Freud auf den Kopf stellt, dann soll er das auch explizieren. Aber dazu ist Theweleit zu sehr Artist.

Ulrike Winkelmann

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