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Wurst-Watching

■ Gemein: Singles von Versorgungslücke bedroht / Endlich: Portion Food-Studie liegt vor

Die Betroffenen leiden schon länger darunter, jene, die Abhilfe schaffen könnten, auch. Jetzt, da der Skandal endlich ruchbar wird, da seine Existenz wissenschaftlich erwiesen ist, wird sich ohne Zweifel allüberall ein großes Geschrei und Wehklagen erheben. Denn es gibt sie, die unbestreitbare, ubiquitäre, ungerechte und empörende Versorgungslücke: die Versorgungslücke bei Wurst-Portionspackungen!

Was kümmert's uns, wird mancher denken, wenn unser deutsches Land zunehmend von Singles betreten, betrampelt und bevölkert wird? 3% plus bei Singles-Haushalten 1994 - 2.1% plus bei Zwei-Personen-Haushalten - ein Minus von 1.1% bei größeren Haushalten. Wen juckt's?

Es sollte alle jucken! In jedem Menschen steckt ein Single, und der Single will Wurst-Portionspackungen kaufen! Das ist nun mal die unumstößliche Wahrheit, wie sie uns der Wurstfabrikant Könecke jüngst eröffnet hat. Könecke Bremen hatte einen veritablen Professor (einen smarten Mittfünfziger und mutmaßlichen Toupetträger namens Behrends) beauftragt, Menschen und Singles und Wurstpackungen zu beobachten und eine Studie zu verfertigen, die jetzt jedem, der Ohren hat zu hören, unter dem Titel „Portions Food - Studie Kleinhaushalte“ vorliegt.

Und Behrends hat sie tatsächlich dingfest gemacht: die Versorgungslücke bei Wurst-Portionspackungen. Der Beweis: Über 2/3 aller Single-Haushalte wünschen sich mehr Abwechslung im Lebensmittelangebot. Aber: Kleinhaushalte kaufen im Durchschnitt weniger Wurstsorten als größere Haushalte. Die Logik ist zwingend: Kleinhaushalte leiden, weil sie im Kühlfach bei der fertig verpackten Wurst immer gleich 100 Gramm einundderselben Sorten mitnehmen müssen - und doch wissen, daß ihnen 80 Gramm davon unterderhand schlecht werden. Denn welcher Single („Man gönnt sich ja sonst nichts“) mag schon einhundert Gramm Mortadella hintereinanderweg essen? Und so drückt Professor Behrends diesen Tatbestand aus: „Die These ist vertretbar, daß auch bei Wurst überdimensionierte Gebindegrößen im SB-Kühlregal Kleinhaushalten den Einkauf mehrerer Sorten erschweren.“ Wen träumte da nicht, Wissenschaftler zu werden, ob der Kühnheit solcher Thesen?!

Aber warum geht der Single, warum geht die wilde Ehe nicht an den Verkaufstresen, da bekämen sie jede erdenkliche Mischung und notfalls nur eine Scheibe. Die Antwort ist einfach: Erstens muß Könecke vom Absetzten eingeschweißter Wurstwaren leben. Zweitens haben es Singles und kinderlose Familien immer enorm eilig und wollen sich nicht anstellen. Kaufen eh meist in der Mittagspause ein.

Wir wollen uns nicht den Appetit verderben lassen: aber in Deutschland lebten 1994 schon 12,7 Millionen Singles; 12,7 Millionen in der Versorgungslücke! Wenn die mal aufwachen! Wenn diese 12,7 Millionen anfangen, Großgebinde aufzureißen und sich selbst um ihren Zufriedenheitsgrad zu kümmern! Dann geht's aber - um hier einmal ein Wortspiel anzubringen -um die Wurst! BuS

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