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Kleine Stadt verärgert großes China

■ Chinesische Diplomaten intervenieren gegen die Verleihung des "Bremer Solidaritätspreises" an Han Dongfang. Han gründete 1989 eine unabhängige Gewerkschaft, wurde verhaftet und später ausgebürgert

Bremen (taz) – Eine kleine Bremer Preisverleihung bringt Chinas Politiker in Aufruhr. Seit Jahresbeginn jedenfalls ruft in der Hansestadt der chinesische Botschafter an, oder ein Konsul schaut vorbei – seit bekannt ist, daß der zweijährlich verliehene „Bremer Solidaritätspreis“ an den chinesischen Exilgewerkschafter Han Dongfang vergeben werden soll.

Die mit 10.000 Mark dotierte Ehrung wurde gestern in einer Feierstunde im Rathaus überreicht, zu der auch der Vorsitzende des DGB, Dieter Schulte, eine Ansprache hielt. Der Eisenbahner und Gründer der ersten unabhängigen Gewerkschaft in der VR China, Han, steht damit in der Tradition großer Namen: 1994 erhielt die birmesische Oppositionelle Aung San Suu Kyi den Preis. Erste Preisträger überhaupt waren der Südafrikaner Nelson Mandela und seine Frau Winnie.

Doch anders als bei der Birmesin und beim Südafrikaner, die zum Zeitpunkt der Preisverleihung gefangengehalten wurden, war klar: Der chinesische Freiheitskämpfer Han Dongfang würde den Preis persönlich entgegennehmen. „So gesehen hat es einen Vorteil, daß ich in Hongkong leben muß“, kommentierte Han Dongfang gestern den Umstand, daß er seit 1992 nicht mehr nach China einreisen darf. Kurz zuvor war er aus Krankheitsgründen aus der Haft entlassen worden, in die er wegen der Teilnahme an den Protesten auf dem Tiananmen- Platz geraten war.

Chinas Führung sieht in Han Dongfang einen „Kriminellen“, der den Sturz der Regierung betreibe und dem man nur deswegen nicht den Prozeß gemacht habe, weil er „Reue“ gezeigt habe – all das kam bei dem „Antrittsbesuch“ des chinesischen Generalkonsuls Pan Haifeng vor vier Tagen in Bremen zur Sprache. Was, so fragte Pan den Bremer Bürgermeister Henning Scherf, würde er denn sagen, wenn in Dänemark ein bekannter Neonazi aus Deutschland einen Preis verliehen bekäme?

Daß China seine Auszeichnung verhindern will, ist für Han Dongfang nicht ungewöhnlich. „Es wäre unnormal, wenn sie das nicht versuchten“, sagte er gestern vor Journalisten. Diese Interventionen allerdings zeigten, wo die chinesische Regierung wirklich stehe: Daß sie gegen einen einschreite, der sich doch für die Arbeiter und ihre Rechte einsetze, entlarve sie. „In China vertritt die Kommunistische Partei zunehmend das Interesse des Beamtentums und des Kapitals“, kritisierte der Gewerkschafter gestern. Es sei verantwortungslos, die Arbeiter recht- und schutzlos zu halten, während die chinesische Wirtschaft vor Massenarbeitslosigkeit stehe. ede

Portrait Seite 12

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